Ein Marketplace-Verkäufer haftet für die Urheberrechtsverletzungen fremder Amazon-Angebote als Täter. Es ist unerheblich, ob er einen direkten Änderungseinfluss auf die Inhalte hat (LG Köln, Urt. v. 22.08.2022 - Az.: 14 O 327/21).
Eine Marketplace-Verkäuferin wurde vom Rechteinhaber eines Bildes auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Bild war in der Warenbeschreibung auf Amazon benutzt worden.
Die verklagte Anbieterin verteidigte sich damit, dass sie sich lediglich an das Amazon- Angebot "angehängt" habe und auch keinerlei Änderungsmöglichkeiten besitze. Zudem habe sie nach Erhalt der Abmahnung bei Amazon die Löschung des Bildes versucht, was jedoch erfolglos blieb.
Das LG Köln bejahte die Haftung der Beklagten als Täterin für die Urheberrechtsverletzung:
"Die Beklagte haftet für diese öffentliche Zugänglichmachung auch als Täterin. Nach der Rechtsprechung der Kammer in den Fällen des sog. „Anhängens an Amazon Angebote“ ist grundsätzlich unter Rückgriff auf des Rechtsprechung des BGH in den verwandten Rechtsgebieten des UWG und des Markenrechts (siehe BGH, GRUR 2016, 961 – Herstellerpreisempfehlung; BGH, GRUR 2016, 936 – Angebotsmanipulation bei Amazon) von einer Täterschaft der „sich anhängenden“ Verkäufer auszugehen.
Die Passivlegitimation als Täterin folgt daraus, dass die Beklagte auf einer Internethandelsplattform in ihrem Namen ein bebildertes Verkaufsangebot veröffentlichen lässt, obwohl sie dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrscht, weil dem Plattformbetreiber die Auswahl und Änderung der Bilder vorbehalten ist.
Die Kammer hält die Erwägungen des BGH in den verwandten Rechtsgebieten für auf die urheberrechtliche Situation übertragbar; im Rahmen der hier maßgeblichen Grundsätze der deliktsrechtlichen Haftung ist von einem Gleichlauf auch im Urheberrecht auszugehen. Insbesondere die Gefahr, dass der Plattformbetreiber bei einem Angebot unter dessen alleiniger Entscheidungshoheit Lichtbilder ohne ausreichende Berechtigung verwendet, ist für die Beklagte als sich an das durch den Plattformbetreiber gestaltete Angebot „anhängender“ Händler nicht allgemein unvorhersehbar. Der Beklagten als Händlerin ist diese Gefahr demnach zuzurechnen, sie ist adäquat kausale Folge der Angebotserstellung unter den Bedingungen des B Markplatzes.
Hinzu kommt, dass die Kammer in vergleichbaren Fallkonstellationen auch bereits vor der oben zitierten Rechtsprechung des BGH von einer Täterschaft der „sich anhängenden“ Verkäufer ausgegangen ist (vgl. Urteil der Kammer vom 16.06.2016, Az. 14 O 355/14, BeckRS 2016, 20192). Für eine Abkehr von dieser Rechtsprechung besteht nach der diese Linie bestätigenden Rechtsprechung des BGH in den verwandten Rechtsgebieten kein Anlass. Demnach gilt weiterhin, dass ein Anbieter, welcher seine Produkte auf der Verkaufsplattform B eingepflegt hat, sich die dortigen Angaben für das von ihm als Verkäufer angebotene und beworbene Produkt zu eigen macht. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte selbst nicht die streitgegenständlichen Lichtbilder in ihre Angebote eingeblendet hat, sondern die Zuordnung der Lichtbilder zu dem Angebot von Seiten des Unternehmens B erfolgt und die Beklagte auf die Auswahl der Lichtbilder keinen Einfluss hat."
Daran ändere auch nichts der Umstand, dass die Beklagte in tatsächlicher Hinsicht keine Änderungsmöglichkeiten besitze:
"Die Täterschaft der Beklagten ist auch deshalb anzunehmen, weil sie die Herrschaft über die eigene Urheberrechtsverletzung hat. Der Tatbeitrag der Beklagten zu der streitgegenständlichen Rechtsverletzung der öffentlichen Zugänglichmachung der Lichtbilder der Klägerin, liegt in der Einstellung des Verkaufsangebotes unter der bereits vorhandenen „ASIN“ und der dazugehörigen Artikelseite bei B. Die Beklagte war damit nicht nur unselbstständige Hilfsperson, da sie eigene Entscheidungsbefugnis und Herrschaft über die Rechtsverletzung hatte (...). Sie hat es jederzeit in der Hand eine eigene Urheberrechtsverletzung zu beenden bzw. gar nicht erst zu beginnen.
Die Beklagte hat das Produkt, für welche die streitgegenständlichen Lichtbilder geworben haben, auch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung den Nutzern der Internetplattform zum Verkauf angeboten und nach eigener Auskunft einmal verkauft. Damit hat die Beklagte zugleich den Eindruck vermittelt, sie übernehme die Verantwortung für das konkrete Angebot. Dies gilt auch für die Lichtbilder, mit welchen das Angebot versehen ist, da der Nutzer davon ausgeht, dass diese den Zustand des angebotenen Produktes zutreffend wiedergeben.
Wer aber eigene Angebote abgibt, ist für diese auch dann verantwortlich, wenn er sie von Dritten herstellen lässt und ihren Inhalt nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht (...). Aus diesem Grunde sind auch die Einwendungen der Beklagten zu ihrem vollautomatisierten Geschäftsmodell, bei dem keine Prüfung der einzelnen Angebote bei B stattfinde, unerheblich.
Das Risiko von Urheberrechtsverletzungen haftet einem solchen Geschäftsmodell der Beklagten an, zumal die Problematik von Urheberrechtsverletzungen auf Verkaufsplattformen einem Händler mit den Umsätzen der Beklagten generell bekannt sein muss und sie trotzdem ihr Geschäftsmodell ohne hinreichende Prüfung beibehält."
Auch der Umstand, dass die Beklagte nach Erhalt der Abmahnung die Löschung versucht habe, ändere nichts an der Haftung, so die Richter:
"Einer Haftung der Beklagten steht auch nicht der von ihr vorgetragene Versuch entgegen, bei Amazon eine Löschung der zwei streitgegenständlichen Lichtbilder zu erreichen. Dabei kann die Kammer diesen durch aktenkundige E-Mail Korrespondenz vorgetragenen Versuch, der von Klägerseite unqualifiziert bestritten worden ist, unterstellen.
Die Kammer kann auch offenlassen, ob die Beklagte Amazon hinreichend auf die Problematik hingewiesen hat und ob Amazon zu Unrecht eine Löschung der Lichtbilder abgelehnt hat. Denn die Beklagte hat unstreitig bereits vor Kontaktaufnahme zu Amazon das konkret angegriffene Angebot bei Amazon eingestellt und einen Verkauf getätigt, sodass hier bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Anknüpfungspunkte der Haftung erfüllt waren.
Das von der Beklagten vorgetragene und von der Klägerin zutreffend als „Nachtatverhalten“ bezeichnete Vorgehen kann damit die bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht beseitigen oder neutralisieren. Dieses Verhalten kann allenfalls in einer im Rahmen einer Zwangsvollstreckung durchzuführenden Prüfung, ob dem Unterlassungsgebot nachgekommen worden ist, maßgeblich werden (vgl. etwa BGH, GRUR 2018, 1183 – Wirbel um Bauschutt, u.a. zur Einwirkung auf Google wegen Löschung aus dem Cache nach erfolgter Rechtsverletzung)."
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Anderer Ansicht ist das OLG München, das in diesen Fällen keine Haftung des Marketplace-Verkäufers bejaht, vgl. unsere Kanzlei-News v. 27.06.2016.
Das LG Köln nimmt in seiner aktuellen Entscheidung ausdrücklich Bezug auf dieses Urteil und lehnt es als falsch ab, da die BGH-Rechtsprechung anders sei:
"Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des OLG München (Urt. v. 10.3.2016 – 29 U 4077/15, GRUR-RR 2016, 316) stützt, so ist die Kammer der Ansicht, dass diese Rechtsprechung im Widerspruch zu den oben genannten Fundstellen des BGH steht. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des OLG München nicht an, insbesondere nicht soweit dort ein vom Wettbewerbsrecht abweichendes Modell der Bewertung der Täterhaftung angenommen wird."