LG Berlin: Online-Dating-Portal muss deutlich auf Fake-Profile hinweisen, Erwähnung in den AGB nicht ausreichend

16.05.2022

Der Betreiber eines Online-Dating-Portal muss deutlich auf von ihm künstliche erzeugte Profile hinweisen. Es reicht nicht aus, diesen Umstand lediglich in den AGB zu erwähnen (LG Berlin, Urt. v. 17.02.2022 - Az.: 16 O 62/21).

Die Beklagte betrieb ein Online-Dating-Portal. Auf der Webseite hieß es u.a.:

"Jetzt online neue Bekanntschaften schließen"

und

"„Hohe Flirtchancen - Im Match-Game entscheidest du mit einer simplen Swipe, wen Du kennenlernen möchtest."

und

"Täglich neue Singles - bei uns registrieren sich täglich über 5000 neue Mitglieder, die auf der Suche nach ihrem Glück sind."

Hinter den Profilen der User steckten jedoch nicht nur echte Kunden, sondern auch vom Betreiber künstliche erzeugte Profile (sog. Fake-Profile). Hiervon erfuhr der User grundsätzlich nichts. Nur in den AGB hieß es dazu:

"Die Datenbank beinhaltet reale Profile, aber auch seitens der Anbieterin erstellte und betriebene Profile (nachfolgend: „iNutzer“). Die iNutzer sind ausschließlich zur Ausübung von virtuellen Fantasien gedacht und es sind keine realen Treffen möglich.

Die kostenpflichtige Kommunikation mit den iNutzern vielfältige Möglichkeiten sich zu unterhalten (sic). iNutzer werden von Operatoren betrieben (bei Kommunikation wie Chats, Nachrichten, E-Mails usw.) und dienen der reinen Unterhaltung sowie auch der Qualitätssicherung und Service Tests. Reale Treffen oder ähnli¬ches sind nur mit realen Nutzern möglich."

Die Klägerin sah darin eine wettbewerbswidrige Irreführung. Die Beklagte verteidigte sich damit, dass der Anteil dieser Profile lediglich bei rund 1,4 % liege, d.h. 8.200 Fake-Profilen stünden 600.000 echten Profilen gegenüber.

Das LG Berlin stufte das Handeln der Beklagten als wettbewerbswidrige Irreführung ein.

Denn der Kunde erwarte angesichts der Darbietung echte Dating-Partner:

"Dabei rechnet er nicht damit, dass er auch auf Profile treffen kann, hinter denen keine echten Nutzer stehen, sondern die von der Beklagten erstellt sind und von Moderatoren bedient werden und mit denen ein Treffen und ein Kennenlernen gar nicht möglich ist.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte ein Dating-Portal anbietet, bei dem der Nutzer grundsätzlich davon ausgeht, dass er dort ausschließlich auf andere echte Nutzer trifft, welche zumindest die grundsätzliche Bereitschaft besitzen, andere angemeldete Nutzer näher kennenzulernen, zu treffen und mit diesen im Idealfall eine nähere Beziehung einzugehen.

Diese Erwartung wird vorliegend zudem durch die konkrete Aufmachung des Angebots verstärkt. Dies ergibt sich zum einem aus dem Umstand, dass auf der Startseite ein sich umarmenden Paar abgebildet ist, als auch aus den werbenden Aussagen, die auf der Startseite eingestellt werden.

So wirbt die Beklagte damit, dass man auf ihrer Plattform neue Bekanntschaften schließen, andere kennenlernen, mit Nut¬zern aus der näheren Umgebung flirten und chatten und sich mit diesen treffen und Spaß haben könne."

Der Hinweis in den AGB sei nicht ausreichend, um diesen Irrtum auszuschließen.

"Zudem sind die Allgemeinen Geschäftsbedingen auch nicht der Ort, wo der Verbraucher wesentliche Informationen zu der ihm angebotenen Leistung erwartet. Insbesondere muss er nicht damit rechnen, dass ihm dort Informationen über den In­halt der ihm angebotenen Leistung präsentiert werden, welche zu der Erwartungshaltung, die das Angebot objektiv hervorruft, im Widerspruch stehen. (...)

Für den Verbraucher, der sich auf einem Flirt- und Dating-Portal in der berechtigten Erwartung anmeldet, dort andere Menschen anzutreffen, die auf der Suche nach neuen Bekanntschaften oder Beziehungen sind, kommt der Information, dass dort auch künstliche Profile vorhanden sind, hinter denen keine dem Profil entsprechende und an einem echten Kennenlernen und Tref­fen interessierte Person stecken, ein erhebliches Gewicht zu. Denn er muss abwägen können, ob er das Risiko, auf ein solches Profil zu treffen, eingehen will.

Diesem Verkehrsinteresse an der Information über den Einsatz der künstlichen Profile stehen auch keine überwiegenden Interessen der Beklagten gegenüber, da die Information ohne großen zeitlichen und kostenmäßigen Aufwand erfolgen kann, was sich auch daran zeigt, dass die Infor­mation an anderer Stelle - in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen - erfolgt."