Wirbt ein Online-Shop mit früheren Preisen, sogenannten Streichpreisen, muss es sich dabei um Werte handeln, die der Betreiber in der Vergangenheit auch tatsächlich online gefordert hat. Nicht erlaubt hingegen ist es, Preise aus dem stationären Handel gegenüberzustellen (OLG Hamm, Beschl. v. 11.03.2021 - Az.: I-4 U 173/20).
Das verklagte Unternehmen vertrieb offline und online Fahrräder und Zubehör. In seinem Online-Shop warb es mit einem durchgestrichenen früheren Preis, um dem Kunden zu zeigen, dass der Kaufpreis sich inzwischen reduziert hatte.
Bei dem ursprünglichen Preis handelte es sich jedoch um Zahlen aus dem stationären Handel.
Wie die Vorinstanz - das LG Bielefeld (Urt. v. 06.10.2020 - Az.: 15 O 9/20) - stufte nun auch das OLG Hamm dies als wettbewerbswidrig ein. Denn der Verbraucher gehe bei einer derartigen Präsentation davon aus, dass der Vergleich sich konkret auf Preise beziehe, die in dem Online-Shop in der Vergangenheit auch gefordert worden seien:
"Auch zur Überzeugung des Senats ist zur Beurteilung der Frage, ob die beanstandete Werbung irreführend ist, allein auf den von der Beklagten betriebenen Onlineshop abzustellen, nicht hingegen (...) auf die Preisgestaltung aller oder einzelner Filialen (...).
Ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher wird die beanstandete Werbung der Beklagten (...) auf den Onlineshop der Beklagten beziehen und daher so verstehen, dass es sich bei dem gestrichenen Preis um den ursprünglich tatsächlich im Onlineshop geltenden Preis handelt."
Die Richter äußerten sich auch zu der Frage, ob eine Streichpreis-Werbung überhaupt dann noch erlaubt ist. wenn der aktuelle Preis bereits 6 Monate lang Bestand hat:
"Wie lange der Zeitraum zurückliegen darf, in dem der höhere, zur Preisgegenüberstellung verwendete Preis gegolten hat, richtet sich nach der Verkehrsauffassung, wobei (...) auf einen durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und durchschnittlich verständigen Verbraucher abzustellen ist.
Die Frage lässt sich nicht einheitlich beantworten. Auch die Festlegung starrer Fristen ist ausgeschlossen. Maßgebend sind vielmehr die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, die auch die Länge des Zeitraums bestimmen, in dem der frühere Preis verlangt worden ist."
Konkret auf den Sachverhalt bezogen heißt es dann:
"Bei Nahrungs- und Genussmitteln sowie Verbrauchsgütern wird die Zeitspanne meist kürzer (4–10 Wochen) als bei anderen Waren oder Leistungen zu bemessen sein. Auch kann es eine Rolle spielen, ob in einer Zeitungsanzeige, einem Prospekt oder einem Katalog geworben wird, weil der Verkehr in der Zeitungsanzeige eine aktuelle Information erwartet, während ein Katalog für eine längere Verwendungszeit aufgelegt wird (...).
Gemessen hieran hat das Landgericht mit der zutreffenden Erwägung, dass es sich bei Fahrrädern einerseits um langlebige und durchaus hochpreisige Wirtschaftsgüter handelt, der Verbraucher andererseits aber insbesondere bei Online-Werbung laufend aktuelle Informationen erwartet, einen Zeitraum von – vergleichsweise großzügig bemessenen – sechs Monaten als vertretbar angesehen. Nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang ferner, dass das Landgericht denjenigen Zeitraum, für den der ursprüngliche Preis ernsthaft verlangt worden sein muss, mit mindestens zwei Monaten bemessen hat (vgl. § 5 Abs. 4 S. 1 UWG).
Naheliegend erscheint dabei, dass die ursprünglichen Preise typischerweise zu Beginn der „Fahrradsaison“ im Frühjahr gelten und spätestens mit Einsetzen der kühleren Jahreszeit, durchaus aber auch schon im Sommer herabgesetzt werden, um Auslaufmodelle noch zu angemessenen Preisen zu veräußern, gleichzeitig aber bereits Lagerkapazitäten für neue Modelle zu schaffen."