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Kategorie: Onlinerecht

KG Berlin: Rechtswidrige Kundenbewertungen in Online-Shop können dem Portal-Betreiber zurechenbar sein

Online-Shop-Betreiber haften für rechtswidrige Kundenbewertungen, wenn diese bewusst zur Verkaufsförderung genutzt und keine Maßnahmen zur Verhinderung ergriffen werde

Rechtswidrige Kundenbewertungen von Dritten in einem Online-Shop können dem Portal-Betreiber zurechenbar sein. Dies dann der Fall, wenn er die Bewertungen bewusst zur Absatzförderung seines Produkts einsetzt und keine Maßnahmen ergreift, rechtsverletzende Bewertungen zu verhindern (KG Berlin, Urt. v. 10.07.2024 - Az.: 5 U 92/22).

Die Beklagte veräußerte Parfüms über ihren Webshop und band dabei auch Kundenbewertungen ein. In den Kundenbewertungen tauchten auch rechtswidrige Äußerungen von Dritten auf (hier: markenrechtswidrige Vergleiche).

Die Klägerin vertrat den Standpunkt, dass diese Verstöße der Beklagten zuzurechnen seien.

Die Beklagte hingegen berief sich auf die BGH-Entscheidung “Kundenbewertungen auf Amazon”, wonach ein Online-Anbieter grundsätzlich nicht haftet, vgl. unsere Kanzlei-News v. 18.03.2020.

Die damaligen Leitsätze waren:

"1. Den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts trifft für nicht von ihm veranlasste Kundenbewertungen keine wettbewerbsrechtliche Haftung, wenn er sich diese Bewertungen nicht zu eigen macht.

Für die Beurteilung, ob eine wegen wettbewerbswidriger Werbung in Anspruch genommene Person sich fremde Äußerungen zu eigen macht, kommt es entscheidend darauf an, ob sie nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen Dritter übernimmt oder den zurechenbaren Anschein erweckt, sie identifiziere sich mit ihnen. Dieser Maßstab gilt auch im Heilmittelwerberecht.

2. Ob das Angebot auf der Online-Handelsplattform Amazon eine Garantenstellung mit der Rechtspflicht begründet, eine Irreführung durch Kundenbewertungen abzuwenden, bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls und bedarf einer Abwägung.

3. Bei dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Handelsplattformen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch die Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Bei einem Angebot von Arzneimitteln oder Medizinprodukten kann allerdings das Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit bei der Abwägung zu berücksichtigen sein.

4. Gibt der Anbieter eines auf einer Online-Handelsplattform angebotenen Produkts selbst irreführende oder gefälschte Kundenbewertungen ab, bezahlt er dafür oder können ihm die Kundenbewertungen aus anderen Gründen als Werbung zugerechnet werden, haftet er als Täter, gegebenenfalls Mittäter, eines Wettbewerbsverstoßes."

Im vorliegenden Fall bejahte das KG Berlin eine Verantwortlichkeit. Denn der Online-Shop setzte die Bewertungen bewusst zur Verkaufsförderung ein und ergreife auch keine wirklichen Kontrollmaßnahmen:

"Die im Rahmen der Bewertungen getroffenen Aussagen sind der Antragsgegnerin auch zuzurechnen (so schon Senat, Beschluss vom 13. Februar 2018 – 5 W 28/18 –, Rn. 105, juris; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Februar 2013 – I-20 U 55/12 –, Rn. 23, juris). Die Antragsgegnerin trifft die bewusste Entscheidung, die Bewertungen als Werbeinstrument einzusetzen, ohne diese zu überwachen oder Rechte Dritter verletzende Handlungen durch den Einsatz von Filtern zu unterbinden.

Die von der Antragsgegnerin unternommenen erheblichen Anstrengungen, Kundenbewertungen zu erhalten und diese für potentielle Neukunden als Kauf-Entscheidungshilfe nutzbar zu machen, zeigen, dass auch die Antragsgegnerin Kundenbewertungen im Onlinehandel als in hohem Maße absatzfördernd ansieht. 

Die antragsgegnerseits zur Absatzförderung vorgenommene Einsammlung und Einbettung von Kundenbewertungen gerade auf der dem Absatz der Ware der Antragsgegnerin dienenden Webseite ist daher nicht mit der – im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat diskutierten – Eröffnung eines dem Meinungsaustausch dienenden Diskussionsforums, etwa im Rahmen einer Leserbriefseite einer Zeitung, zu vergleichen. Die genannte Einbettung von Kundenbewertungen auf der Webseite der Antragsgegnerin ist deshalb nicht nur als Werbung zu qualifizieren, sondern führt auch dazu, dass sich die Antragsgegnerin den Inhalt der Kundenbewertungen zurechnen lassen muss."

Und weiter:

"Hiergegen sprechen auch nicht die erstinstanzlich angesprochenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Betreffend das Verfahren I ZR 94/13 (Urteil vom 19. März 2015 – Hotelbewertungsportal) ist anzumerken, dass auf der Webseite gerade kein redaktionelles Portal für Parfumbewertungen betrieben wird, sondern in einem Webshop Bewertungen zur Absatzförderung veröffentlicht werden, die in die Vorstellung der einzelnen Waren eingebunden sind. Auch kann sich die Antragsgegnerin nicht auf die Entscheidung I ZR 193/18 berufen. Dort ging es um Kundenbewertungen auf amazon.de, wo der Händler – anders als hier – nicht darüber entscheiden kann, ob Kundenbewertungen überhaupt angezeigt werden. 

Zudem, so der BGH in dieser Entscheidung, sei der angesprochene Verkehr in den Grundzügen mit dem Bewertungssystem von Amazon vertraut, das unabhängig von direkten Einflussmöglichkeiten der jeweiligen Händler geführt und – anders als hier - durch Amazon auf Verstöße überwacht wird (BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18 –, Rn. 19, juris – Kundenbewertungen auf Amazon)."

 

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