Ein Verein hat gegen die örtliche Gemeinde einen Anspruch auf Verlinkung auf ihrer Webseite (VG Stuttgart, Urt. v. 21.04.2022 - Az.: 7 K 3169/21).
Die Klägerin war ein gemeinnütziger Verein und begehrte von der Beklagten, der örtlichen Gemeinde, dass sie sie mit auf ihre Webseite aufnimmt und verlinkt. Dort gab es eine umfangreiche Datenbank mit entsprechenden Vereinigungen.
Die Beklagte lehnte dies ab und verwies darauf, dass die Klägerin zwar nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werde, sie jedoch unzulässige Inhalte (Aufruf der Palästinensischen Zivilgesellschaft zu BDS) unterstütze. Nach dem Widmungszweck sei Einrichtungen, die nach Sicht der Beklagten antisemitische oder antiisraelische Meinungen oder Geisteshaltungen vertreten würden, generell die Aufnahme in die Adressdaten verwehrt.
Zu Unrecht, wie das VG Stuttgart nun entschied.
Aus der betreffenden Gemeindeordnung ergebe sich das Recht, dass juristische Personen die öffentliche Einrichtungen der Gemeinde nach gleichen Grundsätzen benutzen dürften. Hierzu zähle auch die Webseite der Gemeinde.
"Die Beklagte hat ihre Internetpräsenz www.....de für die suchbare Eintragung von Adressen der verschiedensten Vereinigungen sowie Gruppen mit Ansässigkeit in (...) geöffnet. Damit kommt die Internetpräsenz der Beklagten insoweit einer Plakatanschlagstafel gleich und stellt eine öffentliche Einrichtung dar."
Die Klägerin könne daher die gewünschte Verlinkung verlangen, da dies auch bei den Einträgen in der Datenbank der Fall sei.
Es bestünde auch kein Hinderungsgrund. Denn der Widmungszweck der Beklagten schränke die Meinungsfreiheit der Klägerin in unzulässiger Weise ein und sei daher unwirksam:
"Die durch die Beklagte vorgenommene Begrenzung des Widmungszwecks, wonach unter anderem Adressen von Organisationen, Vereinen und Gruppierungen, die nach Sicht der Beklagten antisemitische oder antiisraelische Meinungen oder Geisteshaltungen vertreten, generell die Aufnahme in die Adressdatenbank der Internetpräsenz www.....de verwehrt wird, ist nicht zulässig, weil sie gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit verstößt. (...)
Denn Äußerungen Privater genießen grundrechtlichen Schutz nach Artikel 5 Absatz 1 GG unabhängig von der inhaltlichen Bewertung ihrer Richtigkeit oder Gefährlichkeit. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen; es erzwingt diese Werteloyalität aber nicht. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst demzufolge auch extremistische, rassistische oder antisemitische Äußerungen (vgl. BayVGH, Urteil vom 17.11.2020 - 4 B 19.1358 -, juris Rn. 57). Selbst dann, wenn der Kläger - wie es die Beklagte geltend macht - antiisraelische oder antisemitische Meinungen oder Geisteshaltungen vertreten, unterstützen oder fördern sollte, unterfielen diese Tätigkeiten dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit.
Es bestehen insbesondere keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die im Bundesgebiet entfalteten Aktivitäten der auf den Staat Israel zielenden Boykottbewegung auch eine die Friedlichkeitsgrenze überschreitende gezielte Stimmungsmache gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland oder gar ein Aufstacheln zum Hass gegen diese Personengruppe umfassen könnten. Da diese Gefahrenschwelle mit den Boykottaufrufen der BDS-Kampagne derzeit ersichtlich nicht erreicht wird, kann der Zugang zu kommunalen Einrichtungen nicht allein mit dem Hinweis auf eine nach Einschätzung der Beklagten bestehende antiisraelische oder antisemitische Auffassung des Klägers verweigert werden."