Heise Online haftet nicht für Links auf urheberrechtswidrige Webseiten, so der BGH in dem lang erwarteten Grundsatz-Urteil <link http: www.online-und-recht.de urteile heise-haftet-nicht-fuer-links-auf-urheberrechtswidrige-seite-i-zr-191-08-bundesgerichtshof--20101014.html _blank external-link-new-window>(Urt. v. 14.10.2010 - Az.: I ZR 191/08).
Die führenden Vertreter mahnten den Heise Zeitschriften Verlag im Jahre 2005 wegen eines Online-Artikels ab. Der Verlag hatte darin auf die Webseite des ausländischen Anbieters Slysoft verlinkt, der die nach dem deutschen Urheberrecht rechtswidrige Software AnyDVD herausgab.
Die Kläger hielten diese Verlinkung für rechtswidrig und nahmen die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.
In einem mehr als fünf Jahre andauernden Rechtsstreit über zahlreiche Instanzen kam das Verfahren schließlich zum BGH. Und der sprach ein Machtwort:
"Sind in einem im Internet veröffentlichten, seinem übrigen Inhalt nach dem Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit unterfallenden Beitrag Links auf fremde Internetseiten in der Weise eingebettet, dass sie einzelne Angaben des Beitrags belegen oder diese durch zusätzliche Informationen ergänzen sollen, so werden auch diese Verweise von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst."
Die Linksetzung im Bericht habe dem Informationsinteresse des Leser gedient und sei daher rechtlich nicht zu beanstanden.
Ähnlich wie eine Fussnote in einem Buch komme im vorliegenden Fall der Verlinkung ein zusätzlicher Informationsgewinn zu.
Der Schutz der Pressefreiheit umfasse ebenso wie der Schutz der Meinungsfreiheit das Recht, den Gegenstand einer Berichterstattung frei zu wählen. Inhalt und Qualität der vermittelten Information oder Meinung seien für die Anwendung der Grundrechte ohne Belang. Es sei insbesondere nicht Aufgabe der Gerichte zu entscheiden, ob ein bestimmtes Thema überhaupt berichtenswert ist oder nicht.
Auch den Einwand, dass eine Verlinkung nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, erteilten die Karlsruher Richter eine Absage. Denn die Meinungs- und Pressefreiheit garantiere auch die äußere Form der Berichterstattung. Heise Online könne daher selbst entscheiden, in welcher Art und Weise es über Dinge berichte.
An der Bewertung ändere auch nichts die Tatsache, dass die verlinkte Webseite vorsätzlich Urheberrechtsverletzungen begehe. Der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit umfasse nämlich auch Informationen, die Dritte beleidigen, aus der Fassung bringen oder sonst stören könnten. Grundsätzlich dürfe daher auch über Äußerungen, durch die in rechtswidriger Weise Persönlichkeitsrechte Dritter beeinträchtigt worden seien, trotz der in der Weiterverbreitung liegenden Perpetuierung oder sogar Vertiefung des Ersteingriffs berichtet werden, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse bestehe und der Verbreiter sich die berichtete Äußerung nicht zu eigen mache.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Eine Grundlagen-Entscheidungen, die jedoch im Ergebnis mehr Fragen offen lässt als beantwortet.
Die Karlsruher Robenträger machen sich die Sache relativ einfach und ziehen sich auf die Grundrechte des Heise Verlages zurück.
Erstaunen ruft vor allem hervor, dass die BGH-Richter noch nicht einmal eine Interessensgüterabwägung zwischen der Pressefreiheit einerseits (Heise) und den Eigentumsrechten der Musikindustrie vornimmt. Vielmehr erklärt das Gericht apodiktisch, dass auch auf rechtswidrige Inhalte verlinkt werden dürfe, wenn sie denn dem Informationsinteresse dienen würden und die Presse sich die Inhalte nicht zu eigen mache.
In der "Schöner Wetten"-Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2005 <link http: www.gluecksspiel-und-recht.de urteile _blank external-link-new-window>(Urt. v. 01.04.2004 - Az.: I ZR 317/01) hatte das alles noch nicht so deutlich geklungen. Damals hatte das Online-Magazin einer Zeitschrift im Rahmen einer Berichterstattung auf eine verbotene ausländische Glücksspiele-Seite gelinkt. Seitenlang hatten sich damals die Richter mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Mitstörerhaftung in Frage käme. Zwar wurde auch damals die Verantwortlichkeit des Presseunternehmens abgelehnt, es hätte aber keiner solchen seitenlangen Ausführungen bedurft, wenn, wie der BGH in seiner aktuellen Entscheidung betont, ein Presseunternehmen grundsätzlich für seine Links nicht haftet.
Da der amtliche Leitsatz und die Entscheidungsgründe auch ausdrücklich auf das Grundrecht auf freie Meinungsfreiheit Bezug nehmen, hat die Entscheidung über die Grenzen der Presse hinaus weitreichende Bedeutung für den Online-Bereich.
Und hier kommen wir dann auch zur eigentlichen Problematik der Entscheidung. Einziges Eingrenzungskriterium für die Richter ist es, dass
a) der Leser durch die Verlinkung einen zusätzlichen Informationsgewinn erhalten muss und
b) die Inhalte sich nicht zu Eigen gemacht werden dürfen.
Nach dieser Logik dürfte somit jedes Blog auf Webseiten mit z.B. ehrverletzenden Äußerungen linken, wenn es über den Streit zwischen Person A und B berichtet.
Spinnt man diesen Gedanken weiter, so fällt bei der BGH-Entscheidung auf, dass die Richter auch mit keinem Wort auf die Strafbarkeit des Software-Anbieters eingehen. Nach <link http: www.gesetze-im-internet.de urhg __108b.html _blank external-link-new-window>§ 108 b UrhG sind nämlich unerlaubte Eingriffe in technische Schutzmaßnahmen strafbar.
Erlaubt der BGH somit die Verlinkung auf Webseiten mit strafbaren Inhalten?
Eine klare Antwort auf diese Frage fällt schwer. Das Ergebnis mag mehr als vertretbar sein. Nur der Weg, den die Richter im vorliegenden Fall gewählt haben, hilft nicht, die vielen offenen Fragen zu klären. Vielmehr hinterlassen die richterlichen Entscheidungsgründe nur große Verwirrung.
Hätte nämlich der BGH eine konkrete Interessensgüterabwägung zwischen Pressefreiheit und Eigentum vorgenommen und wäre zu dem bekannten Ergebnis gekommen, wäre alles gut. So aber gibt es mehr Schatten als Licht.
Es dürfte nur kurze Zeit dauern, bis sich die ersten Instanzgerichte mit der Auslegung des Urteils beschäftigen werden müssen.