OLG Jena: Mithören bei geschäftlichem Telefonat erlaubt

04.07.2006

Das OLG Jena (Urt. v. 27.09.2005 - Az.: 8 U 861/04) hat entschieden, dass das Mithören eines Telefonats durch eine dritte Partei unter gewissen Umständen erlaubt ist.

In einem Gerichtsverfahren stritten die Parteien, beide Unternehmer, über den Inhalt eines Telefongesprächs. Dem Telefonat hatte ein Mitarbeiter des einen Unternehmers zugehört, da dort wichtige sachliche Details für seine spätere Tätigkeit besprochen wurden. Der andere Gesprächspartner wurde jedoch darüber in Kenntnis gesetzt, dass auch ein Mitarbeiter zuhörte.

Im Prozess berief sich nun die eine Partei auf die Aussage des Mitarbeiters. Die Gegenseite war dagegen der Ansicht, dass die Aussage einem Beweisverwertungsverbot unterliege, da ein Verstoß gegen § 201 StGB vorliege.

"Der Schutzzweck der §§ 201 ff. StGB besteht insoweit darin, die Vertraulichkeit des Wortes zu schützen. Eine Vertraulichkeit ist hier aber nicht gegeben.

Es ist auch rechtlich zulässig, im Rahmen der Verletzung (...) eine mutmaßliche Einwilligung zu prüfen (...).

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.10.2002 (BVerfGE 106, 28 ff. = NJW 2002, 3619 ff.) steht nicht entgegen, da dort mangels Sachvortrags eine mutmaßliche Einwilligung nicht zur Prüfung anstand.

Dort machte der Kläger geltend, dass ein Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug bei einem Telefongespräch einverständlich aufgehoben worden sei, wobei seine Mutter das Telefonat an dem laut gestellten Telefon mitgehört habe. Dieser Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.

Denn der abgehörte Gesprächspartner musste dort nicht mit einem Mithören der Mutter des Klägers rechnen. Der Inhalt des Gesprächs war nicht für sie bestimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat demzufolge auch nicht zu einer mutmaßlichen Einwilligung Stellung genommen."


Und weiter:

"Im vorliegenden Fall waren die telefonisch mitgeteilten Informationen aber sehr wohl für den Geschäftsbetrieb der Klägerin bestimmt, insbesondere auch für die Zeugin S. als Bürokauffrau der Klägerin. Die Beklagte musste auch ohne Mithören damit rechnen, dass der Geschäftsführer der Klägerin die seitens der Beklagten am Telefon mitgeteilten Preise an sein Geschäftsbüro und die dortigen Beschäftigten zur weiteren Bearbeitung weitergab. Eine solche Weitergabe drängte sich sogar auf. Von daher lag eine mutmaßliche Einwilligung der Beklagten vor.

(...) Da es im vorliegenden Fall um einen Bauvertrag geht, bei welchem eine ortsübliche Vergütung auch ohne eine Preisabsprache geschuldet ist (...), erscheint das Interesse der Beklagten an einer Gemeinhaltung der Preisabsprache gegenüber Mitarbeitern der Klägerin nicht besonders schützenswert. Die Beklagte behauptet zudem nicht, dass die ortsüblichen Preise niedriger lägen, als die bei dem Telefonat vereinbarten."


Mit anderen Worten: Das Mithören eines geschäftlichen Telefonats ist dann erlaubt, wenn das Geheimhaltungsinteresse extrem gering ist und ein sachlicher Grund für das Zuhören besteht. In der Praxis handelt es sich hierbei freilich um Gummi-Kriterien. Eine gerichtliche Entscheidung wird somit nur sehr schwer prognostizierbar sein.