Das OLG Hamburg hat in einem aktuellen Urteil (Urt. v. 26.09.2007 - Az.: 5 U 165/06) entschieden, dass ein Internet-Portal-Betreiber für die rechtswidrigen Bilder-Uploads seiner User haftet.
Die Klägerseite betreibt die hinlänglich bekannte Seite "Marions Kochbuch". Die Beklagte war die Betreiberin der Seite "www.chefkoch.de".
In der Vergangenheit hatten mehrfach User unerlaubt klägerische Fotos bei der Beklagten hochgeladen. Daraufhin nahm der Kläger die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.
Zu Recht wie nun die Hamburger Richter entschieden.
Das OLG Hamburg sieht dabei die Beklagte nicht nur als bloße als Mitstörerin an, sondern geht vielmehr weit darüber hinaus. Das Gericht stuft die Beklagte selbst als Rechtsverletzerin ein, wenngleich es sich doch eigentlich um "fremde Informationen" handelt.
"Das Landgericht ist zu Recht von einer Verantwortlichkeit der Beklagten (...) als Diensteanbieter eigener Informationen ausgegangen. Denn diese Beklagte hat sich die von Nutzern ihr zur Verfügung gestellten Kochrezepte und Abbildung zu Eigen gemacht. Sie ist damit nicht nur als Störerin zur Unterlassung verpflichtet, sondern als unmittelbar Handelnde einer Urheberechtsverletzung täterschaftlich verantwortlich."
Zur Begründung führt das Gericht die Entscheidung des OLG Köln (NJW-RR 02, 1700 ff) an, bei dem der damalige Webspace-Anbieter ebenfalls für die Rechtsverletzungen eines User haftete, weil er die Inhalte der Webseite umfassend in seine eigenen Angebote integriert hatte.
"Es mag sein, dass die Beklagten nicht beabsichtigt haben, sich auf ihrer Homepage fremde Inhalte (in rechtlicher Hinsicht) zu Eigen zu machen. Hierauf kommt es bei der rechtlichen Bewertung indes nicht entscheidend an.
Denn der Inhalt sowie der Aufbau der Internetseite www.chefkoch.de der Beklagten (...) vermittelt auch dem verständigen Internetbenutzer (...) einen gegenteiligen Eindruck."
Und weiter:
"Die Seite www.chefkoch.de ist umfassend als Themenportal gestaltet, das eine Vielzahl informativer und kommerzieller Angebote enthält. Es finden sich etwa Werbeeinblendungen von Küchengeräteherstellern (z.B. (Berendes), "Shoppingtipps" mit Abbildungen, Preisen und Produktnummern bestimmter Angebote, übergreifende Magazinthemen (z.B. "Tipps rund um die Käseplatte"), Rezeptsammlungen sowie themenfremde Werbung (z.B. zu DSL-Angeboten des Anbieters Congster).
Im Rahmen dieser weit gespannten Auswahl, die ersichtlich umfassend auf die Bedürfnisse kochbegeisterter Menschen zugeschnitten ist, werden die streitgegenständlichen Rezepte mit Abbildungen veröffentlicht. Dabei bleibt dem Nutzer zwar nicht verborgen, dass die Rezepte ganz bzw. überwiegend nicht von dem Betreiber der Seite entwickelt, sondern von anderen Kochbegeisterten eingestellt worden sind.
Gleichwohl stellen diese Kochrezepte den "redaktionellen Kerngehalt" des gesamten Seitenauftritts dar, für den die Beklagten als Anbieter stehen und für den sie im Außenverhältnis verantwortlich sind. Das Gesamtgepräge der Seite www.chefkoch.de unterscheidet sich grundlegend etwa von Internet-Marktplätzen, Foren oder Chatrooms, bei denen es - trotz anbieterveranlasster Werbungen und Bei-lnformationen - ersichtlich nur bzw. in erster Linie um Drittinhalte geht."
Auch das Argument der Beklagten, es sei unzumutbar, die Bilder-Uploads der User zu kontrollieren, lässt das Gericht nicht gelten:
"Indem die Beklagte (...) auf der Grundlage ihres Geschäftsmodells eine derartige unbegrenzte Möglichkeit Dritten im eigenen kommerziellen Interesse zur Verfügung stellt, hat sie auch die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen und kann sich nicht auf eine faktische Unmöglichkeit berufen.
Auf eine Unzumutbarkeit der Prüfung können sich die Beklagten auch schon deshalb nicht berufen, weil es bereits in insgesamt 4 Fällen zu einer rechtswidrigen Nutzung von Lichtbildern des Klägers auf ihrer Internetseite gekommen ist, sie also hinreichend gesicherte Kenntnis von bereits erfolgten Verletzungshandlungen haben."
Erstmals äußert sich ein deutsches Gericht auch zu der Frage, wie denn eine ausreichende Kontrolle durch den Portal-Betreiber aussehen könnte:
"Der Senat hat im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht zu entscheiden, welche Maßnahmen dies sein können. Denkbar wäre aber z. B., dass vor der Einstellung/Übernahme eines Lichtbilds der Nutzer der Beklagten /...) jeweils konkret mitteilen muss, wann dieses Lichtbild von welcher Person (gegebenenfalls mit Anschrift und Kameratyp) hergestellt worden ist.
Das Einstellen von Lichtbildern, die danach nicht von dem Einsender selbst erstellt worden sind, könnte abgelehnt werden, weil insoweit eine wirksame Rechteinhaberschaft/-übertragung letztlich noch nicht einmal in Ansätzen verlässlich nachvollziehbar ist. Eine derartige Pflichtangabe könnte z. B. ein hinreichender Kontrollmechanismus bzw. eine Hemmschwelle sein, um das rechtsverletzende Hochladen von Lichtbildern zu unterbinden, selbst wenn auch insoweit der Schutz aus der Natur der Sache kaum lückenlos sein kann.
Die Fälle, in denen der Einsender zu der Herkunft des Lichtbilds keine Angaben machen kann, weil dieses etwa gemeinfrei sein soll, dürften eher eine krasse Ausnahme darstellen. Denn das hochgeladene Lichtbild muss unmittelbar zu dem eingereichten Rezept passen und dieses in seiner konkreten Zubereitungsart sowie Zusammensetzung der Zutaten wiedergeben.
Da die Beklagte (...) eine Vielzahl von "Doubletten" allgemein bekannter Rezepte nicht in ihr Angebot wird aufnehmen wollen und können, wenn dieses attraktiv bleiben soll, erscheint es dem Senat nicht nahe liegend zu sein, dass sich Einsender in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in nennenswertem Umfang vermeintlich gemeinfreier Bilder bedienen können.
Der Senat vermag deshalb nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen ein derartiger Schutzmechanismus für die Beklagte (...) unzumutbar sein sollte. Insbesondere wird hierdurch auch ihr gesamtes Geschäftsmodell nicht in Frage gestellt."
Am Rande äußert sich das Gericht auch noch zur Höhe des Schadensersatzes für Bilder-Uploads und zieht die Honorar-Empfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) zurate, wonach 100,- EUR pro Foto Bild und Jahr angemessen sind. Eine Verdopplung aufgrund fehlenden Bildquellennachweises lehnt das Gericht dagegen ab.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Zunächst ist anzumerken, dass die Entscheidung inzwischen rechtskräftig ist, da keine Revision eingelegt wurde.
Das vorliegende Urteil gilt nur bestimmte Einzelfälle und ist keinesfalls verallgemeinerungsfähig für alle Portale, auf denen fremde Informationen angeboten werden. Dies betont das Gericht auch noch einmal ausdrücklich in seinen Entscheidungsgründen.
Wie bereits im Jahre 2002 beim "Steffi Graf nackt"-Urteil des OLG Köln bereitet auch die Entscheidung des OLG Hamburg erhebliche Bauchschmerzen. Denn mit der vorliegenden Begründung werden quasi durch die Hintertür "fremde Inhalte" zu "eigenen Inhalten" und die ausdifferenzierten Haftungsregelungen des TMG unterlaufen.
Sollte sich diese Ansicht durchsetzen, dürften gerade Web 2.0-Portale noch stärker als bislang in erhebliche Bedrängnis geraten, da dort häufig ebenfalls die Betreiber sich die fremden Inhalte in der einen oder anderen Weise zu eigen machen.