Das AG Leipzig (Urt. v. 27.02.2003 - Az.: 02 C 8566/02) hat eine neue Entscheidung in Sachen Mitstörerhaftung getroffen.
Das Gericht ist der Ansicht, dass ein Subdomain-Vermieter für die Spam-Mails, die von der Subdomain aus verschickt werden, als Mitstörer haftbar gemacht werden kann.
Das Gericht macht sich damit - zumindest abstrakt - die bisherige Rechtsprechung zu eigen, wonach auch diejenige Person in Anspruch genommen werden kann, die dem Spammer die Möglichkeit zum Spamming bewusst oder unbewusst zur Verfügung stellt (Telefax, Telefon, E-Mail usw.).
Das Gericht überspannt dabei aber den Haftungsbogen bei weitem:
"Entgegen der Behauptung des Beklagten ist dieser als Störer im Sinne des § 1004 BGB anzusehen. Zumindest ist er als Zustandsstörer zur Verantwortung zu ziehen. Denn er ist Inhaber der Domain (...). Als sogenannter Vermieter von Subdomains hat er auch zu verantworten, wenn über diese Subdomains Werbemails mit erotischem Inhalt an den Kläger verschickt werden, in denen für die Domain des Beklagten geworben wird, und der Absender gefälscht wurde und nicht ausfindig gemacht werden kann, so dass der Beklagte als einzige Bezugsperson (...) erscheint."
Rechtlich außerordentlich bedenklich sind auch die Sorgfaltspflichten, die das Gericht dem Subdomain-Vermieter auferlegen will:
"Denn für eine ordentliche Registrierung der Adressen derjenigen, an die er die Subdomains vermietet, ist er verantwortlich. Zumindest hätte der Beklagte überprüfen müssen, ob eine solche Adresse tatsächlich existiert (Post, Telefonbuch oder Telefonauskunft etc.)."
Welche wenig überzeugende Argumentationskette hinter der richterlichen Ansicht steckt, zeigt auch die Tatsache, dass hier das AG entscheidend auf die Tatsache abgestellt hat, dass auch die Hauptdomain per Spam beworben wurde. Auf den Gedanken, dass vielleicht bewusst die Plattform eines Konkurrenten durch einen Mitbewerber in einer Spam-Mail beworben wurde, ist das Gericht anscheinend nicht gekommen:
"Zudem geht es auch um die Domain des Beklagten, für die über e-mail geworben wurde und nicht nur um die Subdomains. Auf die Eigenwerbung muss der Beklagte aber Einfluss gehabt haben, denn immerhin ist er Inhaber der Domain und muss darüber einen Überblick haben, wo und bei wem für diese Domain geworben wírd.
Die Werbemails sind dem Beklagten auch zurechenbar, denn den Beklagten trifft eine gewisse Kontrollpflicht, was die Subdomains und die über die Subdomains verschickten e-mails anbelangt, da er durch das Vermieten der Subdomains die Ursache dafür gesetzt bzw. es veranlasst hat, dass über die Subdomains Werbemails an den Kläger verschickt werden können. Erst recht trifft dies für die Werbemails für seine eigene Domain zu."
Insgesamt gesehen ein wenig überzeugendes, mit der bisherigen Rechtsprechung kaum vereinbares Urteil. Es bleibt zu hoffen, dass das Urteil in der Berufung aufgehoben wird.
Siehe zur Parallel-Problematik der Mitstörerhaftung auch nachfolgende Hinweise:
a) bei Fax-Spamming:
- Aufsatz von RA Dr. Bahr: Mitstörerhaftung der Netz-Provider
- LG Wuppertal: Keine Mithaftung bei Fax-Spamming (vgl. Kanzlei-Info v. 20.07.2003)
b) bei E-Cards und Newslettern:
- LG Rostock: E-Card-Entscheidung rechtskräftig (vgl. Kanzlei-Info v. 18.07.2003)
- (Vorinstanz:) AG Rostock: E-Cards im Wahlkampf (vgl. die Kanzlei-Info v. 17.03.2003)
- LG München: Portal-Betreiber haftet als Mitstörer bei E-Card-Spam (vgl. die Kanzlei-Info v. 30.04.2003)
c) bei Dialer-Fällen:
- AG Homburg: 0190-Netzbetreiber kein Mitstörer (vgl. Kanzlei-Info v. 01.08.2003)
- LG Köln: Mitstörerhaftung bei 0190-Rufnummer I (vgl. Kanzlei-Info v. 28.07.2003)
- LG Köln: Mitstörerhaftung bei 0190-Rufnummer II (vgl. Kanzlei-Info v. 08.08.2003)