Das LG Offenburg hatte sich zur Frage zu äußern, wann im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung ein wirksamer Zugang des Abmahnschreibens per E-Mail anzunehmen ist (LG Offenburg, Beschl. v. 21.04.2023 - Az.: 5 O 2/23 KfH).
Es ging um ein wettbewerbsrechtliches Gerichtsverfahren.
Der Kläger machte vor Gericht Unterlassungsansprüche geltend. Die Beklagte gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, sodass es nur noch um den Punkt ging, wer die Kosten des eingeleiteten Gerichtsverfahrens zu tragen hatte.
Der Kläger trug vor, dass er außergerichtlich die Beklagte abgemahnt habe. Er habe die Abmahnung per E-Mail übersandt, wobei die Abmahnung und die Unterlassungserklärung sich direkt im Text befunden hätten und nicht als Anhang beigefügt waren.
Die Beklagte bestritt den Zugang.
Das Gericht legte der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf:
"Es ist davon auszugehen, dass das an die Antragsgegnerin adressierte Schreiben (...) per E-Mail am 30.01.2023 abgelassen wurde und am selben Tag zeitnah auf dem Server der Antragsgegnerin einging. Der Antragsteller (...) glaubhaft gemacht, dass er das Abmahnschreiben vom 30.01.2023 am selben Tag als E-Mail an die Antragsgegnerin absandte und dass der vollständige Text des Abmahnschreibens in der E-Mail und nicht in einer Anlage hierzu enthalten war."
Die Rechtsprechung, die der BGH zum Zugang von postalischen Abmahnungen entwickelt worden sei, sei auf das elektronische Postfach übertragbar:
"Es ist auch davon auszugehen, dass unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die E-Mail der Antragsgegnerin wirksam (...) zugegangen ist.
Nach der genannten Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass eine E-Mail dem Empfänger grundsätzlich in dem Zeitpunkt zugeht, in dem sie ihm im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf seinem Mailserver abrufbereit zur Verfügung gestellt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und/oder zur Kenntnis genommen wurde. Der von einem Empfänger für den Empfang von E-Mail-Nachrichten genutzte Mailserver ist jedenfalls dann, wenn der Empfänger durch Veröffentlichung der E-Mail-Adresse oder sonstige Erklärungen im Geschäftsverkehr zum Ausdruck bringt, Rechtsgeschäfte mittels elektronischer Erklärungen in Form von E-Mails abzuschließen, als sein Machtbereich anzusehen, in dem ihm Willenserklärung in elektronischer Form zu gehen können (...).
Zwar kann ein Zugang i.S.v. § 130 I BGB trotzdem ausscheiden, wenn der Empfänger der E-Mail nach weisen kann, dass die E-Mail mit der Abmahnung nicht in seiner Mailbox eingegangen, sondern von der Firewall oder einem Spam-Filter abgefangen wurde. In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass den Abgemahnten das Risiko des Verlusts der E-Mail trifft (...).
Nach Auffassung der Kammer gelang der Antragsgegnerin jedoch nicht der Nachweis, dass die E-Mail des Antragstellers in diesem Sinne von einem Spam-Filter abgefangen wurde und dadurch nicht in den Kenntnisbereich der Antragsgegnerin gelangte. Die insoweit von Antragsgegnerseite vorgelegten ei desstattlichen Versicherungen sind nicht hinreichend tauglich, den erforderlichen Nachweis zu führen."