Eine einstweilige Verfügung ist aufzuheben, wenn der Antragsteller objektiv unzutreffende Angaben gemacht hat. Dies gilt auch dann, wenn die falschen Äußerungen nicht absichtlich gemacht wurden, sondern weil E-Mails des Gegners im Spam-Ordner landeten und nicht wahrgenommen wurden (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.04.2025 - Az.: 6 U 310/24).
Ein deutscher Wettbewerbsverband beanstandete die Bewerbung und den Vertrieb von diätetischer Lebensmitteln eines spanischen Unternehmens ab. Der Verband mahnte das Unternehmen per E-Mail ab und forderte es zur Unterlassung auf.
Wenig später stellte der Verband bei Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Dabei gab er an, dass der Abgemahnte nicht reagiert habe.
Später stellte sich jedoch heraus, dass mehrere Antworten des Unternehmens in englischer Sprache eingegangen waren, diese aber übersehen worden waren. Die E-Mails lagen im Spam-Ordner.
Das LG Frankfurt a.M. hob die zunächst erlassene einstweilige Verfügung wieder auf und bewertete das Vorgehen des Verbands als Rechtsmissbrauch.
Auch das OLG Frankfurt a.M. teilte diese Einschätzung und wies die Berufung zurück.
Der Antragsteller habe gegen das Gebot fairer Prozessführung verstoßen.
Wer einen Gegner mahne und dann eine einstweilige Verfügung beantrage, müsse sicherstellen, dass ihn eine mögliche Antwort auch erreiche und rechtzeitig ans das Gericht weitergeleitet werde.
Es genüge nicht, einfach zu behaupten, keine Antwort erhalten zu haben. Dies gelte insbesondere dann nicht, wenn technisch vermeidbare Fehler wie übersehene E-Mails im Spiel seien.
Dies gelte auch für die Fälle, in ohne böse Absicht gehandelt werde.
Ein festgestellter Rechtsmissbrauch führte nur zur Aufhebung des gerichtlichen Urteils, nicht jedoch zum Ausschluss des materiell-rechtlichen Anspruchs.
“Wählt der Antragsteller vor diesem Hintergrund den Weg der vorprozessualen Anhörung, indem er den Gegner abmahnt und dem Gericht im anschließenden Eilantrag, sein Abmahnschreiben vorlegt und mitteilt, dass die Abmahnung ohne Reaktion geblieben sei, gebieten der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und der hohe Rang des Rechts auf prozessuale Waffengleichheit, dass der Antragsteller innerhalb seines Einflussbereichs sichergestellt hat und sicherstellt, dass ihn die Antwort des Gegners auf seine Abmahnung erreicht und er sie dem Gericht rechtzeitig mitteilen kann. Denn durch seine durch diesen Vortrag gekennzeichnete Prozessführung hat der Antragsteller Verantwortung für die Wahrung des prozessualen Prozessgrundrechts des Gegners übernommen. Dazu setzt er sich in unredlicher Weise in Widerspruch, wenn er nicht sicherstellt, dass ihn und das Gericht die Antwort des Gegners auf die Abmahnung erreicht.”
Und weiter:
“Der von der Rechtsordnung missbilligte Erfolg liegt in dem Erlass einer einstweiligen Verfügung, obwohl der Antragsteller durch Wahl des Wegs der vorgerichtlichen Anhörung mit anschließendem Eilantrag bei Antragsgegner und Gericht einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, wonach er sicherstellt, dass die Antwort des Gegners zur Kenntnis des Gerichts gelangt und sich letztendlich dazu in Widerspruch gesetzt hat. Einer verwerflichen Motivlage oder darauf gerichteter Absichten bedarf es für die Annahme des Rechtsmissbrauchs in solchen Fällen nicht; es bedarf in solchen Fällen nicht einmal des Verschuldens (vgl. BGH, Urt. v. 04.02.2015, VIII ZR 154/14, Rn. 25; Urt. v. 12.11.2008, XII ZR 134/02, Rn. 41, jeweils zitiert nach juris).”
Und dann:
"Im vorliegenden Fall hatte der Antragsteller die Antragsgegnerin im Wege des E-Mail-Schreibens abgemahnt und musste folglich mit einer Antwort auf diesem Weg rechnen. Deshalb musste er sicherstellen, dass seine E-Mail-Eingänge regelmäßig auf eine entsprechende Antwort kontrolliert werden. Das gilt nicht nur für das regelmäßige Posteingangsfach, sondern auch für den sog. Spam-Ordner, der mit dem Spam-Filter dazu dient, potentiell schadensstiftende Nachrichten auszusortieren und der gleichwohl regelmäßig auf Fehlzuordnungen zu kontrollieren ist (…). Dass dann das E-Mail-Schreiben der Antragsgegnerin vom 20.06.2024, mit dem sie fristgerecht auf die Abmahnung geantwortet und eine eingehendere Antwort angekündigt hat, im „Trash“- Ordern (Papierkorb) des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds gelandet ist - das Vorstandsmitglied die Antwort der Antragsgegnerin mithin bewusst oder unbewusst gelöscht hat - zeigt bereits, dass der Antragsteller treuwidrig - sogar in zu missbilligender Weise nachlässig - mit seiner Verpflichtung umgegangen ist, den Erhalt des Antwortschreibens sicherzustellen.
Entsprechendes gilt für den Umstand, dass die kurze Zeit später eingegangene Stellungnahme vom 28.06.2024 als „gelesen“ gekennzeichnet worden ist, obwohl sie niemand auf Seiten des Antragstellers zur Kenntnis genommen haben will. Auch dies geschieht nicht automatisch, sondern setzt voraus, dass das entsprechende Attribut im Posteingang des Antragstellers geändert worden ist, ohne zumindest an die erforderlichen Vorkehrungen zum Empfang und zur Weiterleitung an das Gericht auch nur zu denken."