Das Erschleichen einer einstweiligen Verfügung, indem der Antragsteller das Antwortschreiben des Antragsgegner bei Gericht bewusst nicht vorlegt, ist rechtsmissbräuchlich (OLG München, Urt. v. 08.06.2017 - Az.: 29 U 1210/17).
Inhaltlich ging es um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche.
Die Parteien waren jeweils Rechtsanwälte, die im Bereich des Kapitalanlage-Rechts tätig waren.
Die Antragsteller wollten ihre Rechte im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen. Auf die außergerichtlich erfolgte Abmahnung hatte die Antragsgegnerin umfangreich erwidert und am Ende ihres Schriftsatzes mitgeteilt:
"Abschließend haben wir Sie noch einmal an Ihre – auch prozessuale Wahrheitspflicht zu erinnern. Sollten Sie ein gerichtliches Verfahren in Anspruch nehmen, haben Sie dem Gericht unsere Beteiligung bzw. das hiesige Schreiben unaufgefordert vorzulegen (§ 138 Abs. 1 ZPO, § 263 StGB)."
Dieses Erwiderungsschreiben wurde bei Gericht von den Antragstellerin im Rahmen ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht vorgelegt.
Das OLG München bewertete dies als rechtsmissbräuchlich, so dass kein wirksamer Anspruch auf Unterlassung bestehe.
Es handle sich um einen erheblichen Verstoß gegen die prozessuale Pflicht zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärungen. Die Antragsteller hätten im vorliegenden Fall ausdrücklich den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung beantragt und ausgeführt, der unkollegialen, unseriösen und rechtswidrigen Praxis der Antragsgegner sei durch eine sofortige einstweilige Verfügung Einhalt zu gebieten.
Auch hätten die Antragsgegner in ihrem Antwortschreiben ausdrücklich mitgeteilt, dieses im Rahmen einer Auseinandersetzung dem Gericht vorzulegen.
Das Weglassen des Antwortschreibens sei auch nicht durch ein Büroversehen erfolgt, sondern sei auf Gläubigerseite beabsichtigt gewesen.
Eine solche Verhaltensweise sei klar rechtmissbräuchlich. Daran änderte auch der Umstands nichts, dass die Antragsgegner bereits bei Gericht eine Schutzschrift eingereicht hatten und das Gericht daher entsprechend informiert war. Denn zum Zeitpunkt der Antragstellung sei der Klägerseite diese Tatsache nicht bekannt gewesen, so dass sie davon ausgehen musste, dass das Gericht die betreffende Antwort nicht kannte.