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Kategorie: Onlinerecht

OLG Stuttgart: Für Online-Coaching-Programme gilt das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht und das FernUSG

Auch wer Online-Coaching-Vertrag für den Aufbau einer eigenen Online-Marketing-Agentur bucht, handelt als Verbraucher und nicht als Unternehmer, sodass ihm weiterhin das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht zusteht. Auf derartige Verträge ist zudem das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) anwendbar (OLG Stuttgart, Urt. v. 04.02.2024 - Az.: 6 U 46/24).

Der Beschwerdeführer, ein Kfz-Mechaniker in Ausbildung, hatte ein "Online-Mentoring-Programm" gebucht, um seine eigene Online-Marketing-Agentur zu gründen. Der Anbieter verfügte nicht über eine Fernabsatzgenehmigung.

Die Parteien stritten darüber, ob der Kläger zur Zahlung der Entgelte aus dem geschlossenen Vertrag verpflichtet war.

Das OLG Stuttgart stellte fest, dass dem Kläger ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht zustehe, da der Vertrag lediglich der Existenzgründung diene. Entscheidend sei, dass sich der Kläger zunächst Fachwissen aneignen müsse, um überhaupt eine Gründungsentscheidung treffen zu können.

Ferner sei der Vertrag unwirksam, da die Beklagte nicht über eine Zulassung nach dem FernUSG verfüge. Für die erforderliche Lernerfolgskontrolle reiche es aus, dass der Unterricht online über Videos, Live-Calls und Chat-Gruppen stattfinde und der Lernerfolg durch Fragemöglichkeiten überprüft werden könne:

"Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Vertrag eine Überwachung des Lernerfolgs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG zum Gegenstand hatte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dieses Tatbestandsmerkmal weit auszulegen. Insbesondere kann dem Gesetz nicht entnommen werden, dass eine schriftliche Lernkontrolle etwa in Form Prüfungen vorgesehen sein muss, vielmehr kommt auch eine mündliche Kontrolle während eines begleitenden Direktunterrichts als hinreichende Überwachung des Lernerfolgs durch Frage und Antwort in Betracht. Da es darauf ankommt, dass eine Überwachung des Lernerfolgs nach dem Vertrag vorgesehen ist, ist nicht entscheidend, ob diese letztlich auch tatsächlich durchgeführt wird, vielmehr reicht es aus, dass der Lernende nach dem Vertrag das Recht hat, eine solche einzufordern, um den Lernerfolg kontrollieren zu lassen (…)."

Und weiter:

"Danach ist ausreichend, wenn der Vertrag regelmäßig stattfindende Videokonferenzen und den Zugang zu einer Online-Chat-Gruppe vorsieht und dem Teilnehmer dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, durch mündliche Fragen zu dem anhand der Lernplattform zu erlernenden Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs zu erhalten (…).

Die Beschreibung der im Rahmen des Mentoring-Programms geschuldeten Leistungen sieht ausdrücklich die Möglichkeit und damit auch das Recht des Klägers vor, in den regelmäßigen Livecalls und in der Facebook-Gruppe Fragen zu stellen, um sicherzustellen, dass er die vermittelten Inhalte zutreffend erfasst und richtig anwenden kann. Der Vertrag räumt dem Lernenden damit das Recht ein, eine Kontrolle des Lernerfolgs einzufordern, was nach der weiten Auslegung des Bundesgerichtshofs den gesetzlichen Tatbestand erfüllt."

Das Gericht ließ die Revision zu.

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