Ein Unternehmen darf nicht irreführend mit einer 15-jährigen Tradition (hier: "seit 15 Jahren maßgeschneiderte Solarlösungen") werben, wenn es diese Leistung nicht vollständig so lange erbringt (OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.09.2024 - Az.: 6 U 25/24).
Die Parteien des Rechtsstreits waren Mitbewerber im Bereich der Solartechnik.
Die Beklagte warb mit einer 15-jährigen Tradition:
“15 JAHRE F[…].
Wir zelebrieren ein besonderes Jubiläum – 15 Jahre F[…], 15 Jahre Solarpower, und darauf sind wir unglaublich stolz! Über ein Jahrzehnt hinweg haben wir maßgeschneiderte Solarlösungen für unsere Kunden in Deutschland entwickelt.”
Die Beklagte, eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (GbR), wurde jedoch erst im Jahr 2020 gegründet. Einer der Gesellschafter war jedoch bereits seit 2009 eigenständig im Solarbereich tätig und bot entsprechende Leistungen an. Im Jahr 2020 brachte er dann sein Einzelunternehmen in die GbR ein.
Die Klägerin vertrat den Standpunkt, es handle sich um irreführende Werbung mit dem Unternehmensalter, da die heutige Firma erst vier Jahre alt sei.
Das OLG Karlsruhe teilte diese Ansicht und nahm einen Wettbewerbsverstoß an:
"Der situationsadäquat aufmerksame Durchschnittsverbraucher versteht die gesamte Werbeaussage (…) konkret dahin, dass das Unternehmen seit mehr als einem Jahrzehnt, nämlich seit 15 Jahren „maßgeschneiderte Solarlösungen“ erbringt. Die zweite Zeitangabe („über ein Jahrzehnt hinweg“) ist insbesondere mit dem Worten „über“ und „hinweg“ sprachlich mehrdeutig.
Sie kann bedeuten, dass die bezeichnete Leistungserbringung einen Zeitraum von einem Jahrzehnt, also zehn Jahren, (mindestens) abdeckt oder dass sie einen solchen zehnjährigen Zeitpunkt gerade (erheblich) überschreitet. Im letztgenannten Fall ist sie hinsichtlich des genauen Zeitraums offen, wie die Berufungserwiderung zutreffend bemerkt, und kann daher unter Umständen dahin verstanden werden, dass sie für einen an anderer Stelle in diesem Zusammenhang bestimmten, 10 Jahre überschreitenden Zeitraum stehen soll."
Und weiter:
"So liegt es im hier.
Es fehlt in der Werbung in dem hier in Rede stehenden Absatz an jeder Abgrenzung ihrer einzelnen Bestandteile voneinander, die einen Hinweis darauf geben könnte, dass die Traditionsaussage zu „maßgeschneiderte[n] Solarlösungen“ sich auf einen von der fünfzehnjährigen Alterswerbung verschiedenen Gegenstand beziehen soll.
Entgegen der Ansicht der Berufung erschließt sich dem angesprochenen Verbraucher eine Abgrenzung auch nicht aus den unterschiedlichen Formulierungen der beiden in der Werbung enthaltenen Zeitangaben („15 Jahre“, „über ein Jahrzehnt hinweg“).
Denn diese lassen sich inhaltlich plausibel zur Deckung bringen (anders als wenn etwa eine Angabe wie „25 Jahre“ neben die Formulierung „über ein Jahrzehnt“ träte).
Insbesondere wird der Adressat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht erkennen, dass es sich bei der Erläuterung des Unternehmensgegenstands „maßgeschneiderte[r] Solarlösungen“, die hier in unmittelbarem Zusammenhang mit der Angabe zum 15-jährigen Unternehmensbestand steht, möglicherweise nur um eine erst nach Gründung des Unternehmens hinzugetretene Leistung handele.
Eine Einschränkung wie etwa mit dem Wort „erst“, das die Berufung zur Erläuterung ihres abweichenden Verständnisses (die zweite Zeitangabe „über ein Jahrzehnt“ betreffe aus Sicht des Verbrauchers einen „anderen Sachverhalt“) verwendet, enthält die angegriffene Werbung gerade nicht. Etwas anderes folgt entgegen den Ausführungen des Beklagtenvertreters in der Berufungsverhandlung auch nicht aus der Erwägung, ein Unternehmen mache sich in seiner Werbung erfahrungsgemäß nicht „klein“, würde also nicht die Wendung „ein Jahrzehnt“ verwendet haben, wenn es für sich auf eine Tradition von eineinhalb Jahrzehnten oder 15 Jahren stützen könnte.
Eine solche Analyse der gewählten Formulierung zur Ergründung dessen, welche Aussage der Werbende treffen wolle, und der vom Beklagtenvertreter gezogene Umkehrschluss daraus, dass bestimmte, ausdrücklich einen fünfzehnjährigen Zeitraum angebende Formulierungen gerade nicht gewählt wurden, entsprechen nicht der Rezeption des situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers."