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Kategorie: Onlinerecht

OLG Stuttgart: Online-Coaching-Vertrag wegen Verstoß gegen FernUSG nichtig

Ein Online-Coaching-Vertrag ohne Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz ist nichtig.

Hat ein Online-Coaching-Vertrag keine Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG), ist der Vertrag nichtig. Eine räumliche Trennung iSd. FernUSG liegt auch bei einem gemeinsamen Video-Call vor (OLG Stuttgart, Urt. v. 29.08.2024 – Az.: 13 U 176/23).

Der Kläger schloss mehrere Online-Coaching-Verträge (u.a. über Trading) ab und zahlte dafür insgesamt rund 24.000,- EUR. Einige Zeit später widerrief er die Verträge und verlangte sein Geld zurück. Da die Beklagte nicht über eine Erlaubnis nach dem FernUSG verfüge, seien sämtliche Verträge nichtig, so seine Argumentation.

Das OLG Stuttgart gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung.

1. FernUSG auch dann anwendbar, wenn gemeinsamer Video-Call: 

Zunächst stellen die Richter fest, dass eine räumliche Trennung iSd. FernUSG auch dann vorliege, wenn die Parteien einen gemeinsamen Video-Call haben:

"Es ist auch das Merkmal der überwiegenden räumlichen Trennung gegeben.

Diese Voraussetzung ist schon deshalb erfüllt, weil nach der Programmbeschreibung zweiwöchig Online-Meetings stattfinden und Präsenzveranstaltungen eine allenfalls untergeordnete Rolle spielen. Außerdem werden den Teilnehmern Lehrvideos mit Lektionen zum Durcharbeiten zur Verfügung gestellt (…). 

Entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung (Faix, MMR 2023, 821, 824, Vennemann, FernUSG, 2. Aufl., § 1 Rn. 10) ist auch bei einem Online-Unterricht eine räumliche Trennung gegeben. 

Hierfür spricht schon der Wortlaut der Bestimmung."

Und weiter:

“Auch der Umstand, dass bei Videokonferenzen eine synchrone Kommunikation wie bei Präsenzveranstaltungen möglich ist, kann eine einschränkende Auslegung des insoweit klaren Wortlauts nicht begründen. 

Ziel des Gesetzes ist eine umfassende Ordnung des Fernunterrichtsmarktes zum Schutz der Teilnehmerinteressen, nachdem Angebote von geringer methodischer und fachlicher Qualität auf dem Markt waren (BT-Drs. 7/4245, S. 12). Dieser Schutzzweck führt dazu, dass die Tatbestandsmerkmale weit und nicht restriktiv auszulegen sind (BGH v. 15.10.2009 - III ZR 310/08 - juris Rn. 16 ff.). 

Ausgehend hiervon gibt es für eine einschränkende Auslegung bei Videokonferenzen keinen Anlass. Dies gilt umso mehr, als das Bedürfnis, die Teilnehmer vor unseriösen Anbietern zu schützen, bei Videokonferenzen deutlich größer als bei Präsenzveranstaltungen ist, nachdem für Präsenzveranstaltungen Investitionen in die Räume erforderlich sind, was unseriöse Anbieter abschrecken kann. 

Hinzukommt, dass bei Präsenzveranstaltungen eine stärkere soziale Kontrolle stattfindet, da im Falle einer geringen Qualität des Unterrichts die Lehrenden unmittelbar mit dem Unmut der Teilnehmer konfrontiert werden und die Teilnehmer sich - unter anderem hierüber - auch unmittelbar austauschen können.”

Das OLG München vertritt exakt die gegenteilige Auffassung, vgl. unsere Kanzlei-News v. 29.08.2024.

2. Lernerfolgskontrolle gegeben = Beantwortung von Fragen ausreichend:

Auch die Voraussetzung, dass eine Lernerfolgskontrolle gegeben sein müsse, sei im vorliegenden Fall zu bejahen:

"Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurteilung ein weites Verständnis des Merkmals zu Grunde zu legen (BGH v. 15.10.2009 – III ZR 310/08 - juris Rn. 20 ff.). Danach ist eine Überwachung des Lernerfolgs nach §1 Abs.1 Nr.2 FernUSG bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, z.B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten. Ausreichend ist insoweit, wenn der Lernende in den Informationsveranstaltungen eine individuelle Anleitung erhält und Fragen zum eigenen Verständnis des bisher Erlernten an den jeweiligen Dozenten stellen kann, um insoweit eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde und "sitzt".

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. 

Die Möglichkeit, Fragen zu stellen, sieht bereits die Programmbeschreibung (Anlage B7) auf Seite 6 ausdrücklich vor, als es darin heißt, dass Fragen in den Meetings und per Mail, oder in der Facebook-Gruppe geklärt werden. Dies dient auch der persönlichen Lernkontrolle. 

Der frühere Geschäftsführer der Beklagten hat dies im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt, indem er angegeben hat, dass in den Meetings die Fragen der Teilnehmer geklärt würden; natürlich hätten nicht alle Teilnehmer jede Woche eine Frage, die Sitzungen gingen aber immer so lange, bis alle ihre Fragen beantwortet bekommen hätten. 

Weiter hat der Vertreter der Beklagten im Rahmen der Parteianhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass der Kunde nach Erfassung der Grundlagen erst einmal mit Spielgeld agiere und anhand konkreter Investitionsentscheidungen Fragen stellen könne, die dann in Live-Calls geklärt würden. 

Erst wenn er stabil 3 bis 5 % Rendite pro Woche erreiche, könne er ins Echtgeldkonto wechseln und Echtgelt investieren. Soweit er dabei Verluste erwirtschafte, würden die Fehler analysiert und aufgezeigt, was man hätte besser machen können. A

usgehend hiervon findet auch insoweit eine Kontrolle der Lernenden durch die Lehrenden statt. Dies alles wird schließlich dadurch bestätigt, dass in der Programmbeschreibung (Anl. B7) an mehreren Stellen hervorgehoben wird, dass es nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern - mithilfe einer intensiven Betreuung - auch um die Gewährleistung einer „erfolgreichen Umsetzung“ des Erlernten und die Erzielung bestimmter „Ergebnisse“ geht (…)."

Da die Beklagte über keine Zulassung nach dem FernUSG verfügte, war der Vertrag unwirksam und das erlangte Geld muss zurückgezahlt werden:

"Die Beklagte verfügt unstreitig nicht über eine Zulassung i.S.v. § 12 Abs. 1 FernUSG, sodass der Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig ist.

Demnach hat die Beklagte nach § 818 Abs. 2 BGB Anspruch auf Rückerstattung der geleisteten Zahlung in Höhe von 23.800,00 €. 

Der Wert der beklagtenseits erbrachten Leistungen ist im Rahmen der Saldotheorie (…) nicht zu berücksichtigen."

Die Revision gegen das Urteil hat das OLG Stuttgart ausdrücklich zugelassen, damit der BGH eine abschließende Klärung der Rechtsfragen vornehmen kann:

“Die Revision war zuzulassen, nachdem noch nicht abschließend geklärt ist, ob bei einem Online-Unterricht die Voraussetzungen der Annahme einer überwiegenden räumlichen Trennung gegeben sind. Da es eine Vielzahl vergleichbarer Fälle gibt, hat die Frage damit grundsätzliche Bedeutung (…).”

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