Die für das Urheberrecht zuständige 42. Zivilkammer hat heute eine digitale Plattform zu Unterlassung und Auskunft für das öffentliche Zugänglichmachen von Filmproduktionen verurteilt und ihre Verpflichtung zum Schadenersatz festgestellt, da die Plattform bestmögliche Anstrengungen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG hat vermissen lassen, um die seitens der Klägerin hierfür angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben (42 O 10792/22).
Eine derartige Obliegenheit fordert das Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Dienstanbietern für das Teilen von Online-Inhalten zur Anwendung vom 21.05.2021, das die sogenannte DSM Richtlinie im deutschen Recht umsetzt.
Die Beklagte betreibt eine digitale Plattform insbesondere zum Erstellen und Teilen von Videos. Die vornehmlich von Nutzern generierten und hochgeladenen Videos werden von der Beklagten gespeichert, organisiert und anderen Nutzern öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat die Beklagte auf diverse unberechtigte Veröffentlichungen verschiedener Filme auf ihrer Plattform hingewiesen und angeboten, diese kostenpflichtig zu lizenzieren. Die zwischen den Parteien geführten Verhandlungen blieben allerdings ohne Ergebnis.
Die Beklagte ist antragsgemäß zu verurteilen, da sie für die erfolgten öffentlichen Wiedergaben der Filmproduktionen urheberrechtlich verantwortlich ist und sich nicht auf eine Enthaftung nach § 1 Abs. 2 UrhDaG berufen kann.
Während die Klägerin ihren Obliegenheiten bei den Lizenzverhandlungen nachgekommen ist und ein konkretes Angebot unterbreitet hat, hat die Beklagte die erforderlichen bestmöglichen Anstrengungen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 UrhDaG vermissen lassen, um die seitens der Klägerin angebotenen Nutzungsrechte zu erwerben.
Ob der Diensteanbieter bestmögliche Anstrengungen unternommen hat, ist auf Grundlage einer umfassenden Betrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beurteilen.
Nach den Leitlinien zu Art. 17 der RL 2019/790/EU sind die Verhandlungen zwischen den Diensteanbietern und Rechteinhabern fair und zügig zu führen, wobei für die konkrete Ausgestaltung auf die bereits in Art. 16 der RL 2014/26/EU statuierten Verhandlungsgrundsätze zurückgegriffen werden kann, die im deutschen Recht ihre Umsetzung in § 36 VGG gefunden haben und Ausdruck verallgemeinerbarer Grundsätze sind.
Das konkrete Verhalten der Beklagte ließ nicht das Ziel erkennen, alsbald zu einem beiderseits interessengerechten Ergebnis zu gelangen. Die Verhandlungen waren vielmehr von einem einseitigen Informationsfluss von der Klägerin zur Beklagten geprägt.
Da die Beklagte gegen ihre Lizenzobliegenheit nach § 4 UrhDaG verstoßen hat, kann dahinstehen, ob die Beklagten ihre Pflichten zur einfachen und qualifizierten Blockierung nach §§ 7, 8 UrhDaG erfüllt hat.
Um in den Vorteil der Enthaftung zu kommen, hat die Beklagte die Pflichten aus §§ 4, 7 bis 11 UrhDaG kumulativ zu erfüllen.
Die folgt nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem regulatorischen Kontext der genannten Vorschriften. Die §§ 1 ff. UrhDaG bezwecken in Umsetzung von Art. 17 der RL 2019/790/EU diejenigen, deren urheberrechtlich geschützte Inhalte auf Upload-Plattformen genutzt werden, an der dabei stattfindenden Wertschöpfung partizipieren zu lassen.
Die Entwicklung des Marktes für die Vergabe von Lizenzen zwischen Rechteinhabern und Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten soll gefördert und den Rechtsinhabern die Erzielung höherer Lizenzeinnahmen ermöglicht werden. Die angestrebte Teilhabe des Rechteinhabers an der Wertschöpfung liefe indes leer, wenn es der Diensteanbieter in der Hand hätte, in den Fällen des § 4 Abs. 2 UrhDaG zwischen Lizenzierung und Blockierung zu wählen und sich im Falle eines Verstoßes gegen die Lizenzierungsobliegenheit auf die getroffenen Maßnahmen zur qualifizierten Blockierung (§ 7 UrhDaG) und einfachen Blockierung (§ 8 UrhDaG) zurückzuziehen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 09.02.2024
Zum Hintergrund:
Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Dienstanbietern für das Teilen von Online-Inhalten
§ 4 UrhDaG - Pflicht zum Erwerb vertraglicher Nutzungsrechte; Direktvergütungsanspruch des Urhebers
(1) Ein Diensteanbieter ist verpflichtet, bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben. Der Diensteanbieter erfüllt diese Pflicht, sofern er Nutzungsrechte erwirbt, die
1. ihm angeboten werden,
2. über repräsentative Rechtsinhaber verfügbar sind, die der Diensteanbieter kennt, oder
3. über im Inland ansässige Verwertungsgesellschaften oder abhängige Verwertungseinrichtungen erworben werden können.
(2) Nutzungsrechte nach Absatz 1 Satz 2 müssen
1. für Inhalte gelten, die der Diensteanbieter ihrer Art nach offensichtlich in mehr als geringfügigen Mengen öffentlich wiedergibt,
2. in Bezug auf Werke und Rechtsinhaber ein erhebliches Repertoire umfassen,
3. den räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes abdecken und
4. die Nutzung zu angemessenen Bedingungen ermöglichen.
(3) Hat der Urheber das Recht der öffentlichen Wiedergabe eines Werkes einem Dritten eingeräumt, so hat der Diensteanbieter für vertragliche Nutzungen gleichwohl dem Urheber eine angemessene Vergütung für die öffentliche Wiedergabe des Werkes zu zahlen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der Dritte eine Verwertungsgesellschaft ist oder der Urheber den Dritten als Digitalvertrieb einschaltet.
(4) Der Urheber kann auf den Direktvergütungsanspruch nach Absatz 3 nicht verzichten und diesen im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten. Er kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.