Der BGH hat eine wichtige Grundlagen-Entscheidung zu Online-Coaching-Verträge im B2B-Bereich getroffen und auch die Frage beantwortet, ob das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) anwendbar ist (BGH, Urt. v. 12.06.2025 - Az.: III ZR 109/24).
Der Kläger schloss mehrere Online-Coaching-Verträge (u.a. über Trading) ab und zahlte dafür insgesamt rund 24.000,- EUR. Einige Zeit später widerrief er die Verträge und verlangte sein Geld zurück. Da die Beklagte nicht über eine Erlaubnis nach dem FernUSG verfüge, seien sämtliche Verträge nichtig, so seine Argumentation.
Die Vorinstanz, das OLG Stuttgart, gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung, vgl. unsere Kanzlei-News v. 06.09.2024. Dagegen lege das Coaching-Unternehmen vor dem BGH Revision ein.
Der BGH wies die Revision nun zurück und bestätigte die Ansicht der Stuttgarter Richter.
Im Einzelnen:
1. Das FernUSG ist anwendbar
Der BGH hat die Anwendbarkeit des FernUSG klar bejaht. Es handelt sich nach Ansicht der Richter um Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes:
“Bei dem vom Kläger gebuchten Programm handelt es sich um Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG. Danach ist Fernunterricht die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind (Nr. 1) und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen (Nr. 2).”
Und weiter:
"Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht auch das Tatbestandsmerkmal der zumindest überwiegenden räumlichen Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten bejaht. Ob dieses Tatbestandsmerkmal entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass zusätzlich erforderlich ist, dass die Darbietung des Unterrichts und dessen Abruf durch den Lernenden zeitlich versetzt (asynchron) erfolgt, ist allerdings nicht entscheidungserheblich und kann daher offenbleiben. Denn im vorliegenden Fall wäre selbst bei einer solchen einschränkenden Auslegung von einer überwiegenden räumlichen Trennung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1
FernUSG auszugehen, da asynchrone Unterrichtsanteile hier jedenfalls überwiegen."
Und weiter:
“Dem asynchronen Unterricht sind neben den zur Verfügung gestellten Lehrvideos und den Hausaufgaben auch die zweiwöchig stattfindenden Online-Meetings zuzuordnen.”
2. Konsequenz: Verträge ohne FernUSG-Zulassung sind nichtig
Hat der jeweilige Coaching-Vertrag - wie im vorliegenden Fall - keine FernUSG, ist der Vertrag nichtig, d.h. von Beginn an unwirksam.
Mit der Konsequenz, dass der Anbieter das erhaltene Geld (hier: knapp 24.000,- EUR) zurückzahlen muss.
3. Kein Wertersatz für Anbieter
Der Anbieter konnte auch keinen Wertersatz für bereits erbrachte Leistungen geltend machen, da er nicht konkret darlegen konnte, welchen messbaren Nutzen der Teilnehmer durch das Programm hatte:
“Dass der Kläger durch die von ihr erbrachten Dienste entsprechende Aufwendungen erspart hat, hat die Beklagte indes nicht dargetan. Weder aus den Feststellungen des Berufungsgerichts noch aus dem Sitzungsprotokoll der Berufungsverhandlung ergibt sich Vorbringen der Beklagten dazu, ob und in welchem Umfang der Kläger, falls er gewusst hätte, dass der in Rede stehende Fernlehrgang nicht über die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG erforderliche Zulassung verfügt, mit einem anderen Veranstalter einen Vertrag über eine entsprechende Dienstleistung geschlossen hätte.”
4. Das FernUSG gilt auch bei Unternehmern
Der BGH hat klargemacht, dass auch Unternehmer in den Schutzbereich des FernUSG fallen:
"Auch der Sinn und Zweck der §§ 2 ff FernUSG steht einer Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Verbraucher im Sinne des § 13 BGB entgegen.
Der Gesetzgeber wollte mit dem FernUSG die Fernunterrichtsteilnehmer vor unseriösen Fernunterrichtsangeboten schützen und das Fernunterrichtswesen als Bestandteil eines modernen Weiterbildungssystems fördern. Den §§ 2 ff FernUSG liegt dabei, wie ausgeführt, ein gegenstandsbezogenes Schutzkonzept zugrunde, das den Teilnehmer, der im Vorfeld des Vertragsschlusses und vor Erhalt der Unterrichtsmaterialien nur eingeschränkte Möglichkeiten hat, die Eignung und Qualität eines Fern-
lehrgangs zu überprüfen, umfassend vor einer diesbezüglichen Fehleinschätzung bewahren soll, um eine Enttäuschung seiner Bildungswilligkeit zu verhindern (…).Dieses im Verhältnis zum Direktunterricht gesteigerte Schutzbedürfnis besteht unabhängig davon, ob der Teilnehmer den Fernunterrichtsvertrag zu privaten oder zu unternehmerischen Zwecken abschließt (…)."
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Entscheidung ist erst seit Kurzem bekannt und hat bereits für viel Aufsehen in der Online-Coaching-Branche gesorgt.
Da die weit überwiegende Anzahl aller Anbieter in diesem Bereich über keine FernUSG-Zulassung verfügt, sind all diese Verträge nichtig.
Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der (ehemaligen) Kunden die gezahlten Entgelte zurückfordern wird. Der aktuelle BGH-Fall zeigt zudem, wie schwer es den Anbietern fallen wird, im Gegenzug einen realen Wertersatz zu fordern.