Online-Coaching-Verträge müssen eine entsprechende Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) verfügen. Dies gilt auch dann, wenn der Kunde selbst Unternehmer (B2B-Bereich) ist. Liegt keine FernUSG-Zulassung vor, so ist der vereinbarte Kontrakt unwirksam (OLG Celle, Urt. v. 01.03.2023 - Az.: 3 U 85/22).
Der Kläger bot Dienstleistungen im Bereich des Online-Coachings und der Online-Unternehmensberatung für Frauen an. Die Parteien vereinbarten einen zwölfmonatigen Online-Kurs mit einer monatlichen Vergütung von 2.200,- EUR netto. Als Inhalt war u.a. vorgesehen:
"- Wöchentliche Life Calls (7 Stück)
- 1:1 Calls auf Abruf
- WhatsApp Support
- Mitgliederbereich
- klare Positionierung
- Frauen im Verkauf und Professionalität nach außen
- (…) Verkaufsprozess, Optimierung und Skalierung
- Mitarbeiter Recruiting und Führung"
Im weiteren Verlauf wollte die Beklagte nicht mehr länger an dem Vertrag festhalten. Daraufhin erhob der Coaching-Anbieter Zahlungsklage.
Das OLG Celle wies die Klage ab. Aufgrund der fehlenden FernUSG-Zulassung sei der Vertrag unwirksam:
"Für die Anwendbarkeit des FernUSG ist ferner erforderlich, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG notwendige Voraussetzung der Überwachung des Lernerfolgs beinhaltete. Dies ist gegeben.
Der Gesetzgeber ging bei der Formulierung des Gesetzes von einem umfassenden und weiten Verständnis des Begriffs der Überwachung des Lernerfolgs aus. Der Lehrende oder sein Beauftragter sollte sich dabei schriftlicher Korrekturen ebenso wie begleitender Unterrichtsveranstaltungen oder anderer Mittel bedienen können. Deshalb kommt auch eine mündliche Kontrolle während eines begleitenden Direktunterrichts als hinreichende Überwachung des Lernerfolgs, z. B. durch Frage und Antwort, in Betracht (…)
Nach diesen Kriterien ist eine vereinbarte Überwachung des Lernerfolgs nach dem verschriftlichten Inhalt des Vertrags (…) zwar nicht mit Sicherheit festzustellen. Mit der Beklagten und dem Landgericht ist festzuhalten, dass die vom Kläger geschuldeten Leistungen vage und kaum hinterfragbar sind. Zudem ist den schriftlichen Ausführungen nicht zu entnehmen, dass die Beklagte irgendwelche Prüfungsaufgaben erhalten sollte oder sie die Gelegenheit hätte, sich über ihren Lernerfolg beim Kläger rückzuversichern. Selbst wenn sie Kontakt zu dem Kläger in der im Vertrag näher dargestellten Form (wöchentliche Live Calls und 1:1 Calls auf Abruf) bekommen konnte, lässt dies noch nicht darauf schließen, was Inhalt dieser Gespräche gewesen wäre.
Die Beklagte hat mit der Berufungserwiderung allerdings (…) vorgetragen, dass in dem aufgezeichneten Videotelefonat vom 8. Oktober 2021, das gem. Ziffer 4 der Auftragsbestätigung Vertragsinhalt geworden ist, der Kläger darauf hingewiesen hat, es gäbe Sprechstunden, einen WhatsApp-Support, in dem sie Fragen stellen könne, und sie Zugang zu der Akademie habe, die Videos, Dokumente, Checklisten und Prüfungen beinhalte. Dies reicht aus, um nach den o.g. Maßstäben eine Überwachung des Lernerfolgs zu bejahen.
Soweit der Kläger hierzu vorträgt, es erfolge keine Kontrolle, vielmehr stelle das Lernportal nur automatisch fest, ob ein Videokursabschnitt angesehen wurde, und schalte dann das nächste Modul frei, ist dies unerheblich, weil sich die Angabe des Klägers im Videotelefonat nicht hierauf bezog. Der Einwand, es gebe nur Dokumente und Checklisten, aber keine individuellen Prüfungsaufgaben, ist unerheblich, weil individuelle Prüfungsaufgaben nicht Voraussetzung für eine Überwachung des Lernerfolgs sind. Vielmehr reicht die - hier angebotene - Möglichkeit zur Rücksprache aus."
Das FernUSG finde auch im B2B-Bereich Anwendung, so die Richter:
"Der Anwendbarkeit steht nicht entgegen, dass das FernUSG nur auf mit Verbrauchern abgeschlossene Fernunterrichtsverträge Anwendung fände; dies ist nicht der Fall. (…)
Gegen eine Anwendung nur auf Verbraucher streitet jedoch Folgendes:
Das FernUSG verwendet (…) den Begriff des Verbrauchers nicht. Insbesondere gibt es - anders als z. B. in § 1 Abs. 1 VerbrKrG a.F. und § 6 Nr. 1 HWiG a.F. - keine gesonderte Vorschrift, die die Anwendung des Gesetzes im Ergebnis explizit nur für Verbraucherverträge vorschreibt.
Für eine Anwendung des Gesetzes auch auf Unternehmer spricht ferner das Verständnis der Praxis. So enthalten z. B. die im Internet auf der jeweiligen Homepage einsehbaren Fernunterrichtsverträge zum Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung eine Zulassung der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (z. B. bei Deutsche Anwalt Akademie und AK Jura, Wolters/Kluwer). Dies wäre nicht notwendig, wenn eine Anwendung des FernUSG auf Anwälte, die gem. § 2 Abs. 1 BRAO einen freien Beruf ausüben und damit Unternehmer i. S. v. § 14 BGB sind, nicht in Betracht kommt. Zudem gibt es für den Fernunterrichtsvertrag der Deutsche Anwalt Akademie eine Widerrufsbelehrung, die an sich nur für Verbraucher erforderlich wäre.
(3) Der Senat hält letzteres Verständnis für zutreffend (…). Ausschlaggebend hierfür ist, dass das Gesetz keine ausschließliche Anwendung auf Verbraucher vorsieht und auch eine teleologische Auslegung kein eindeutiges Ergebnis ergibt.
Denn die Regelungen des FernUSG können in dem Kontext, in dem sie verabschiedet wurden, auch so verstanden werden, dass sie zum Schutz der Verbraucher getroffen wurden, sofern diese einen Fernunterrichtsvertrag abschließen, ohne Unternehmer auszuschließen; diese sollten gleichfalls von den getroffenen Regelungen profitieren. Soweit § 3 Abs. 3 FernUSG eine gesonderte Belehrung für Verbraucher vorsieht, ist dies nur der Umsetzung des Verbraucherschutzes geschuldet. Zudem sollte das FernUSG der "Enttäuschung der Bildungswilligkeit" vorbeugen und ging von einer erheblich höheren Schutzbedürftigkeit des Teilnehmers am Fernunterricht im Verhältnis zu demjenigen am Direktunterricht aus (BT-Drs. 7/4245, S. 12f.), stellte also nicht auf die Eigenschaft des Teilnehmers als Verbraucher ab."
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Praktische Konsequenz eines Verstoßes gegen das FernUSG ist, dass der geschlossene Vertrag nichtig ist und kein Vergütungsanspruch des Anbieters besteht. Bezahlte Entgelte müssen u.U. wieder zurückgezahlt werden.
Es bleibt abzuwarten, ob sich auch die übrige Rechtsprechung dieser Rechtsansicht anschließen wird. Wäre dies der Fall, dann dürfte dies insbesondere den Finanz-Bereich treffen, wo in den letzten Jahren zahlreiche Finanz-Influencer ihre entgeltpflichtigen Coaching-Kurse anbieten. Ein Großteil der Anbieter verfügt nämlich über keine FernUSG-Zulassung.
Auf der Webseite der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht gibt es die Möglichkeit der Suche, ob ein Kurs zugelassen wurde.