Ein Vertrag über Online-Business-Coaching unterfällt nicht dem FernUSG (LG Ravensburg, Urt. v. 11.07.2023 - Az.: 5 O 25/23).
Der Beklagte schloss bei der Klägerin einen Vertrag über Business-Coaching ab.
In den Vertragsdokumenten hieß es u.a.
“Der Verkauf unseres Produkts findet nur an Unternehmer oder Personen statt, die durch den Kauf des Produkts bewusst und bereits entschlossen ihr eigenes Gewerbe oder Unternehmen aufbauen wollen und somit in Existenzgründung handeln. Es findet kein Verkauf an Verbraucher statt, die in Vororientierung handeln. Der Käufer bestätigt, dass er hierüber aufgeklärt wurde und bestätigt seine Unternehmereigenschaft.”
In den AGB stand:
“(…) schließt Verträge ausschließlich mit Unternehmern nach § 14 BGB. HC schließt keine Verträge mit Verbrauchern iSd § 13 BGB. Der Kunde versichert bei Vertragsschluss als Unternehmer nach § 14 BGB oder Kaufmann iSd HGB zu handeln."
Im Laufe der Vertragsdurchführung zahlte der Beklagte nicht weiter, sondern erklärte den Kontrakt für unwirksam, u.a. weil verbraucherschutzbezogene Regelungen, insbesondere das Fernunterrrichtsschutzgesetz (FernUSG), nicht eingehalten wurden.
Das LG Ravensburg folgte dieser Ansicht nicht, sondern verurteilte den Beklagten zur Zahlung:
1. Keine Anwendbarkeit des FernUSG:
Das FernUSG sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, so das Gericht.
Denn es fehle im vorliegenden Fall an der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten:
"Das von der Klägerin angebotene Coaching-Programm erfüllt bereits das Tatbestandsmerkmal der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten nicht.
Ausweislich des Vertragstexts soll dem Kunden innerhalb der ersten acht Wochen zwar auch einiges an theoretischem Wissen im E-Commerce-Bereich vermittelt werden, wie etwa zu den Grundlagen und fortgeschrittenen Methoden des Marketings über soziale Netzwerke (…). Zudem hat der Kunde auch Zugang zu einem „exklusiven Videokursbereich“.
Diese Leistungen sind zwar als Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten einzustufen. Sie stellen jedoch nur einen untergeordneten Teil des Programminhalts dar.
So ist der Vertrag in der Hauptsache nicht darauf ausgerichtet, allein abstraktes Wissen über den bzw. Fähigkeiten zum Aufbau eines Online-Shops zu vermitteln, welche der Kunde dann (später) eigenständig anwenden und umsetzen kann.
Vielmehr zielt der Vertrag darauf ab, zusammen mit dem Kunden gezielt einen eigenen Online-Shop aufzubauen und ihn in weiterer Folge auch erfolgreich zu betreiben."
Es liege auch kein Fernunterricht vor, da es an der räumlichen Trennung fehle:
"Darüber hinaus fehlt es an einer überwiegenden räumlichen Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem iSv § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG. (…)
Bei den Coaching-Calls und dem WhatsApp-Support allerdings findet ein solcher unmittelbarer Kontakt statt, womit eine räumliche Trennung nicht gegeben ist. Das individuelle Coaching und Mentoring ist aber gerade Hauptbestandteil des Programminhalts.
Hierzu hat die Klägerin dargestellt, dass der Videokurs zwar Zugriff auf 235 Schulungsvideos mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Erklärungen zum Aufbau eines eigenen Online-Shops bei einer Gesamtlänge von 40 Stunden Videomaterial erlaube. Dem stehen allerdings die über sechs Monate hinweg dreimal wöchentlich für je zwei Stunden möglichen Coaching-Calls in Form von Zoom-Meetings entgegen, was sich zusammen bereits auf 144 Stunden nicht räumlich getrennt stattfindender Betreuung summiere. Danach ist insgesamt nicht von einer überwiegend räumlich getrennt erfolgenden Wissensvermittlung auszugehen."
2. Kein Widerrufsrecht aus Verbraucherrecht:
Ein etwaiges Widerrufsrecht aus Verbraucherrecht scheitere bereits daran, dass der Beklagte im vorliegenden Fall als Unternehmer gehandelt habe:
"1. Unternehmer- (§ 14 BGB) und nicht Verbraucherhandeln (§ 13 BGB) liegt schon dann vor, wenn das Geschäft, das Gegenstand der Streitigkeit ist, im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit (sog. Existenzgründung) geschlossen wird; entscheidend hierfür ist die – objektiv zu bestimmende – Zweckrichtung des Verhaltens. (…)
Davon abzugrenzen sind allerdings Geschäfte, die die Entscheidung, ob es zu einer Existenzgründung überhaupt kommen soll, erst vorbereiten sollen, indem etwa die betriebswirtschaftlichen Grundlagen hierfür ermittelt werden (…). Diese fallen unter § 13 BGB, weil die Entscheidung über die Eröffnung eines Geschäfts oder einer Praxis eben gerade noch nicht gefallen ist und damit der direkte Bezug zur unternehmerischen Tätigkeit fehlt (…)."
Und weiter:
"Objektiv betrachtet zielt das von der Klägerin. zu erbringende Coaching darauf ab, dem Kunden einerseits das nötige Wissen für den Aufbau und den erfolgreichen Betrieb eines eigenen Online-Shops zu vermitteln und ihn andererseits auch bei der praktischen Umsetzung dessen zu begleiten und zu unterstützen. (…)
Das Coaching als solches bewegt sich also gerade nicht nur im Vorstadium einer möglichen Existenzgründung etwa mit dem Ziel, den Kunden auf eine Existenzgründung nur vorzubereiten, sondern hat bereits direkten Bezug zu der selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit, da der eigene Online-Shop ja während des Coachings schon umsatzgenerierend betrieben werden soll. Derjenige, der ein Rechtsgeschäft über den Erhalt eines solchen Coachings abschließt, handelt also wegen der objektiven Ausrichtung des Rechtsgeschäfts auf eine Existenzgründung als Unternehmer iSd § 14 BGB."