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Kategorie: Onlinerecht

AG Essen: Rückforderung von Spielbeiträgen gegen ausländischen Online-Glücksspiel-Anbieter berechtigt

Nimmt ein deutscher Spieler an einem ausländischen Online-Casino teil, das über keine inländische Lizenz verfügt, kann er die geleisteten Spielbeiträge zurückfordern (AG Essen, Urt. v. 24.02.2022 - Az.: 12 C 474/21).

Der Kläger war Spieler bei der Beklagten, einem Anbieter für Online-Glücksspiele aus Malta. Er erlitt in einem Zeitraum von 2 Jahren Verluste iHv. rund 3.500,- EUR. Er verlangte nun die gezahlten Beiträge zurück, da die Beklagte keine deutsche Genehmigung besaß.

Zu Recht, wie das AG Essen nun entschied:

"Denn der Vertrag über die Teilnahme an dem von ihr betriebenen Online-Glücksspiel war gem. § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nichtig. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten.

Die Antragsgegnerin hat gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen, vorliegend dem Kläger, zugänglich gemacht hat. Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. steht in Einklang mit Unionsrecht (BGH, Urteil vom 28.09.2011,MDR 2012, 350; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, BVerwGE 160, 193).

Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet, § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021. Dass der Antragsgegnerin eine derartige Erlaubnis für den Betrieb von Online-Casinos erteilt worden ist, trägt sie jedoch nicht vor.

Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Im Übrigen ist für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages gem. § 134 BGB auf den hier maßgeblichen Zeitraum 2019 - 2021 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet (BGH GRUR 2012, 1050, Rn. 21; BGH WM 2003, 1131; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 249, 250).

Im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH NJW 2008, 3069, Rn. 14; NJW-RR 1997, 641, 642). Etwas anderes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft gerade in der Erwartung und für den Fall geschlossen wird, dass das Verbotsgesetz aufgehoben werden wi rd (BGH WuM 2007, 440). Diese Voraussetzungen jedoch nicht vor."

Der Rückforderungsanspruch sei auch deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger selbst einen Rechtsverstoß begangen habe:

"Dem Anspruch des Klägers steht die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB nicht entgegen. Danach ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetz- oder Sittenverstoß zur Last fällt.

In der Rechtsprechung ist umstritten, ob die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB in Fällen wie dem vorliegenden ebenso teleologisch reduziert werden sollte. Zum Teil wird eine teleologische Reduktion angenommen, weil die Intention des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. unterlaufen würde, wenn die getätigten Spieleinsätze kondiktionsfest wären (...). Es gibt jedoch ebenfalls Entscheidungen, die eine teleologische Reduktion ablehnen, weil beim Glücksspiel der Spieler regelmäßig zumindest mit bedingtem Vorsatz handeln würde und auch weil dem Schneeballsystem immanent sei, dass es nicht aufgehen könne, beim Glücksspiel Gewinne aber möglich seien (...).

Das für den hiesigen Gerichtsbezirk zuständige OLG Hamm hat hierzu ausgeführt, die Entscheidung des BGH spreche nicht gegen eine grundsätzliche Einschränkung der Kondiktionssperre für den Bereich der Online-Glücksspiele, da es bei der dortigen Entscheidung auf den Schutzzweck des hier maßgeblichen § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nicht angekommen sei (OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.2021, Az. 12 W 13/21). Sofern es einer Prüfung der Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB im hier konkret zur Entscheidung dann noch ankomme, sei die bereicherte Beklagte diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastet, die sich auf die rechtshindernde Einwendung der Kondiktionssperre berufe. Zu diesen Voraussetzungen gehöre auch das vorsätzliche Handeln auf Seiten des Leistenden."

Und weiter:

"Der Kläger hat vorliegend vorgetragen, dass ihm die Illegalität seines Handelns nicht bewusst war, wobei sich durchaus die Frage stellt, ob er sich einer diesbezüglichen Einsicht möglicherweise leichtfertig verschlossen hat und letztlich ein bedingter Vorsatz anzunehmen wäre. Die beweisbelastete Beklagte hat sich jedoch nicht geäußert und sich weder auf die rechtshindernde Einwendung der Kondiksionssperre berufen noch zur Kenntnis des Kläger substatiiert vorgetragen und Beweis angeboten."

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