Kanzlei Dr. Bahr
Navigation

Rechts-FAQ: Produktsicherheitsverordnung (GPSR): Pflichten für Online-Shop-Betreiber

Die EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR = General Product Safety Regulation) hat den Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher bei der Nutzung von Produkten zum Inhalt. Das neue Gesetz aktualisiert und ersetzt frühere Regelungen, um den Anforderungen moderner Märkte und Technologien gerecht zu werden.

Eine allgemeine Einführung und einen guten Überblick erhalten Sie in unserer allgemeinen Rechts-FAQ zur Produktsicherheitsverordnung.

Fragen? Probleme? Hilfe gewünscht?

Bei Fragen und Problemen schicken Sie uns einfach eine kurze E-Mail an Info@dr-Bahr.com oder rufen Sie an: 040 - 35 01 77 60. Oder Sie hinterlassen einfach einen Rückruf-Wunsch.

 

Allgemein: Ab wann gelten die neuen Pflichten?

Die neuen Pflichten müssen ab dem 13.12.2024 umgesetzt werden.

[zurück]

 

Übergangsvorschriften für bereits in Verkehr gebrachte Ware?

Gibt es Übergangsregelungen für Waren, die vor dem 13.12.2024 bereits in Verkehr gebracht wurden?

Einen ersten Hinweis hierfür gibt Art. 51 der Produktsicherheitsverordnung:

Gesetzestext: 

Zunächst der konkrete Gesetzestext im Wortlaut:

Artikel 51
Übergangsbestimmung
Die Mitgliedstaaten dürfen das Bereitstellen auf dem Markt von unter die Richtlinie 2001/95/EG fallenden Produkten nicht behindern, die mit jener Richtlinie konform sind und vor dem 13. Dezember 2024 in Verkehr gebracht wurden.

Bedeutung:
Es spricht vieles dafür, dass diese Regelung so gemeint ist, dass jedes Produkt, dass vor dem 13.12.2024 in Verkehr gebracht wurde, von den Neuregelungen ausgenommen ist. Die Produktverordnung würde somit nur solche Produkte gelten, die ab 13.12.2024 neu in Verkehr gebracht werden.

100% sicher ist diese Auslegung nicht, da es insoweit an einer klaren und eindeutig formulierten Regelung fehlt. Erst Gerichte werden entscheiden, ob die Ausnahmeklausel auch tatsächlich so gemeint ist. Denkbar sind beispielsweise auch andere Interpretationen, also z.B., dass nur bestimmte Pflichten der Produktsicherheitsverordnung gilt gelten (z.B. Kennzeichnung der Ware), während andere Pflichten (z.B. Informationspflichten im Online-Shop) 

Mit “In Verkehr bringen”  ist die erstmalige Bereitstellung eines Produkt auf dem EU-Markt gemeint (Art. 3 Nr.7 Produktsicherheitsverordnung).

Unklar ist, ob Produkterweiterungen noch in den Genuss der Übergangsbestimmung kommen oder für sie automatisch die Neuregelungen gelten.  

[zurück]

 

 

Für welche Waren gilt das neue Gesetz?

Für welche Ware gilt das neue Gesetz überhaupt?

1. Gilt für neue und gebrauchte Ware: 

Die Produktsicherheitsverordnung gilt sowohl für neue Ware als auch gebrachte Ware. Das Gesetz stellt klar, dass auch reparierte und wiederaufbereitete Ware in den Anwendungsbereich fällt.

2. Gilt nur für B2C-Bereich:

Die Produktsicherheitsverordnung gilt nur für den Fall, wenn ein Unternehmer an einen Verbraucher verkauft (B2C-Bereich). Für den B2B-Bereich und für den C2C-Bereich gilt es nicht

3. Ausgenommene Bereiche:

In Art. 2 Abs. 3  der Produktsicherheitsverordnung ist klar geregelt, für welche Bereiche die Neuerungen nicht gelten.

Die Produktsicherheitsverordnung gilt somit nicht für

a) Human- und Tierarzneimittel,
b) Lebensmittel,
c) Futtermittel,
d) lebende Pflanzen und Tiere, genetisch veränderte Organismen und genetisch veränderte Mikroorganismen in geschlossenen Systemen sowie Erzeugnisse von Pflanzen und Tieren, die unmittelbar mit ihrer künftigen Reproduktion zusammenhängen,
e) tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte,
f) Pflanzenschutzmittel,
g) Beförderungsmittel, mittels derer Verbraucher sich fortbewegen oder reisen und die von Dienstleistungserbringern im Rahmen einer Transportdienstleistung, die Verbrauchern erbracht wird, direkt bedient werden und nicht von den Verbrauchern selbst bedient werden,
h) Luftfahrzeuge gemäß Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2018/1139,
i) Antiquitäten.

4. Gilt auch bei Verkauf von Ware, die mit Dienstleistungen verknüpft ist:

Die Produktsicherheitsverordnung gilt nicht nur beim bloßen Verkauf von Ware, sondern kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Verkauf mit der Erbringung einer Dienstleistung verknüpft wird. Dies ergibt sich aus dem Art. 3 Nr. 1 Produktsicherheitsverordnung:

Artikel 3
Begriffsbestimmung
Nr.1 „Produkt“ jeden Gegenstand, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Gegenständen entgeltlich oder unentgeltlich — auch im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung — geliefert oder bereitgestellt wird und für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen wahrscheinlich von Verbrauchern benutzt wird, selbst wenn er nicht für diese bestimmt ist (…)"

Aus diesem Wortlaut ergibt sich zudem auch, dass der Verkauf nicht unbedingt gegen Entgelt passieren muss.

[zurück]

 

Für wen gilt das Gesetz?

Das Gesetz wendet sich an fünf unterschiedliche Arten von Unternehmen:

a. Hersteller

= jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwerfen oder herstellen lässt und dieses Produkt in ihrem eigenen Namen oder unter ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet (Art. 3 Nr. 8 Produktsicherheitsverordnung)

b. Bevollmächtigter

= jede innerhalb der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die von einem Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in dessen Namen bestimmte Aufgaben im Hinblick auf die Erfüllung der Pflichten des Herstellers gemäß dieser Verordnung wahrzunehmen (Art. 3 Nr. 9 Produktsicherheitsverordnung)

c. Einführer

= jede in der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Produkt aus einem Drittland in der Union in Verkehr bringt (Art. 3 Nr. 10 Produktsicherheitsverordnung)

d. Händler

= jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Produkt auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers und des Einführers (Art. 3 Nr. 11 Produktsicherheitsverordnung)

e. Fullfilment-Dienstleister

= jede natürliche oder juristische Person, die im Rahmen einer Geschäftstätigkeit mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen anbietet: Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung und Versand von Produkten, an denen sie kein Eigentumsrecht hat, ausgenommen Postdienste im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates , Paketzustelldienste im Sinne des Artikels 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2018/644 des Europäischen Parlaments und des Rates und alle sonstigen Postdienste oder Frachtverkehrsdienstleistungen (Art. 3 Nr. 12 Produktsicherheitsverordnung)

f. Online-Marktplätze

= Anbieter eines Vermittlungsdienstes, der unter Einsatz einer Online-Schnittstelle, die es Verbrauchern ermöglicht, mit Unternehmern Fernabsatzverträge über den Verkauf von Produkten abzuschließen (Art. 3 Nr. 14 Produktsicherheitsverordnung)

[zurück]

 

Allgemeine Pflichten für Händler

Die allgemeinen Pflichten für Händler generell sind in Art. 12 Produktsicherheitsverordnung geregelt. 

Artikel 12
Pflichten der Händler
(1)   Bevor Händler ein Produkt auf dem Markt bereitstellen, vergewissern sie sich, dass der Hersteller und gegebenenfalls der Einführer die Anforderungen gemäß Artikel 9 Absätze 5, 6 und 7 sowie Artikel 11 Absätze 3 und 4, soweit anwendbar, erfüllt haben.
(2)   Solange sich ein Produkt in ihrer Verantwortung befindet, gewährleisten die Händler, dass die Lagerungs- oder Transportbedingungen die Konformität des Produkts mit dem allgemeinen Sicherheitsgebot gemäß Artikel 5 und mit Artikel 9 Absätze 5, 6 und 7 sowie Artikel 11 Absätze 3 und 4, soweit anwendbar, nicht beeinträchtigen.
(3)   Wenn ein Händler aufgrund der ihm vorliegenden Informationen der Auffassung ist oder Grund zu der Annahme hat, dass ein Produkt nicht mit Artikel 5, Artikel 9 Absätze 5, 6 und 7 sowie Artikel 11 Absätze 3 und 4, soweit anwendbar, konform ist, darf der Händler das Produkt nicht auf dem Markt bereitstellen, es sei denn, die Konformität des Produkts wurde hergestellt.
(4)   Wenn ein Händler aufgrund der ihm vorliegenden Informationen der Auffassung ist oder Grund zu der Annahme hat, dass ein von ihm auf dem Markt bereitgestelltes Produkt ein gefährliches Produkt ist oder nicht mit Artikel 9 Absätze 5, 6 und 7 sowie Artikel 11 Absätze 3 und 4, soweit anwendbar, konform ist, verfährt der Händler wie folgt:
a) er unterrichtet unverzüglich den Hersteller bzw. den Einführer davon;
b) er stellt sicher, dass die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, um die Konformität des Produkts auf wirksame Weise herzustellen, wozu gegebenenfalls auch eine Rücknahme vom Markt oder ein Rückruf gehören können; und
c) er stellt sicher, dass die Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten, in denen das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wurde, unverzüglich über das Safety-Business-Gateway davon unterrichtet werden.
Für die Zwecke des Unterabsatzes 1 Buchstaben b und c gibt der Händler die ihm vorliegenden sachdienlichen Informationen über das Risiko für die Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern, die Zahl der betroffenen Produkte und etwaige bereits ergriffene Korrekturmaßnahmen an.

[zurück]

 

Besondere Pflichten für Online-Shops und sonstige Fernabsatz-Händler

In Art. 19 Produktsicherheitsverordnung statuiert das Gesetz für alle Händler, die im Fernabsatz unterwegs sind, nachfolgende Pflichten: 

Zunächst der konkrete Gesetzestext des Art. 19 Produktsicherheitsverordnung im Wortlaut:

Artikel 19
Stellt ein Wirtschaftsakteur Produkte online oder über eine andere Form des Fernabsatzes auf dem Markt bereit, so muss das Angebot dieser Produkte mindestens die folgenden eindeutigen und gut sichtbaren Angaben enthalten:
a) den Namen, den eingetragenen Handelsnamen oder die eingetragene Handelsmarke des Herstellers sowie die Postanschrift und die E-Mail-Adresse, unter denen er kontaktiert werden kann,
b) falls der Hersteller nicht in der Union niedergelassen ist: den Namen, die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der verantwortlichen Person im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 dieser Verordnung oder des Artikels 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2019/1020,
c) Angaben, die die Identifizierung des Produkts ermöglichen, einschließlich einer Abbildung des Produkts, seiner Art und sonstiger Produktidentifikatoren, und 
d) etwaige Warnhinweise oder Sicherheitsinformationen, die gemäß dieser Verordnung oder den anwendbaren Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union in einer Sprache, die für die Verbraucher leicht verständlich ist und die der Mitgliedstaat festlegt, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird, auf dem Produkt oder auf der Verpackung anzubringen oder in einer Begleitunterlage beizufügen sind.

Neue Pflichten:
Der Online-Shop muss daher zukünftig neue, umfangreiche weitere Informationen zur Verfügung stellen.

a) Name des Herstellers
Das jeweilige Angebot muss Angaben zum Hersteller beinhalten (Name, Handelsname oder Handelsmarke) und zusätzlich Postanschrift und E-Mail-Adresse. Ist der Hersteller nicht in der EU niedergelassen, muss entsprechend ein Verantwortlicher in der EU mit angegeben werden.

b) Genaue Angaben zum Produkt
Zukünftig wird es Pflicht sein, konkrete Angaben zum Produkt zu machen, die eine eindeutige Identifikation ermöglichen; zudem muss ein Produktfoto bereitgestellt werden.

c) Warnhinweise und Sicherheitsinformationen
Warnhinweise und Sicherheitsinformationen müssen ebenfalls auf der Webseite mit angegeben werden.

Praktische Bedeutung:
Bereits heute ist absehbar, dass nur die wenigstens Online-Shops imstande sein werden, diese umfangreichen Pflichten auch wirklich zu erfüllen. Auch bedeuten diese Pflichten nichts anderes, als dass ein Online-Shop-Händler regelmäßig überprüfen muss, ob die getätigten Angaben auch noch aktuell sind. 

Man muss es hier in aller Deutlichkeit so sagen: Hier wird Unmögliches von Online-Händlern verlangt! Das Gesetz schießt dabei weit über das legitime Ziel hinaus und kann nur noch als bürokratischer Wahnsinn bezeichnet werden.

Für jedes Produkt, das ein Online-Händler zukünftig verkauft, bedarf es somit umfangreicher Datenbank-Einträge. Dabei gibt es für eine Vielzahl von Produkten noch gar nicht diese notwendigen Informationen. 

[zurück]

 

Sanktionen

Die Produktsicherheitsverordnung sieht keine unmittelbaren Sanktionen vor, wenn gegen die Vorgaben verstoßen wird.

Der deutsche Gesetzgeber wird aber mit der Überarbeitung des nationalen Produktsicherheitsgesetzes entsprechende Geldbuße-Regelungen (10.000 - 100.000 EUR) erlassen. Diese Neuerungen sind jedoch nicht in Kraft.

Unabhängig davon wird man Verstöße gegen die Vorgaben zudem auch als Wettbewerbsverletzungen einstufen, die dann entsprechend von Mitbewerbern oder entsprechend befugten Einrichtungen verfolgt werden können.

[zurück]