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Kategorie: Onlinerecht

LG Hamburg: Spieler hat gegen maltesisches Online-Sportwetten-Anbieter Rückzahlungsanspruch

Ein deutscher Spieler hat gegen ein maltesisches Online-Sportwetten-Anbieter einen Anspruch auf Rückzahlung seiner Spielbeiträge (LG Hamburg, Urt. v. 20.03.2023 - Az.: 301 O 92/21).

Die Klägerin aus Deutschland spielte bei der maltesischen Beklagten, die online Sportwetten anbot, mit und verlor knapp 175.000,- EUR. Nun verlangte sie die Rückzahlung der Summe, da das Unternehmen in Deutschland über keine Lizenz verfügte.

Zu Recht, wie die Hamburger Richter nun urteilten:

"Die zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Wettverträge waren nach § 134 BGB nichtig. Nach dem am 1. Juli 2012 auch in Hamburg in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahr 2012 war das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet gemäß § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 GlüStV verboten.

Angesichts der beiderseitigen Strafbewehrung gemäß §§ 284, 285 StGB handelt es sich hierbei um ein beidseitiges Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. (...)

Das von der Beklagten bis zur Konzessionserteilung am 9. März 2021 angebotene Online-Sportwettenangebot stellt ein verbotenes Online-Glücksspiel dar. Über eine entsprechende Konzession verfügte die Beklagte, die ihr Angebot auch Spielern in Hamburg zugänglich gemacht hat, bis zu diesem Zeitpunkt unstreitig nicht.

Auf eine spätere Legalisierung des Angebots der Beklagten kann es schon deshalb nicht ankommen, weil hiermit keine rückwirkende Heilung des einzelnen, in der Vergangenheit abgeschlossenen Vertrags mit einem Spieler verbunden ist (...)."

Die Rückforderung sei auch nicht ausgeschlossen:

"Der Rückforderung steht schließlich auch nicht § 817 S. 2 BGB entgegen. Danach ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetz- oder Sittenverstoß zur Last fällt. Dabei obliegt es der beklagten Bereicherungsschuldnerin, die Voraussetzungen der rechtshindernden Einwendung nach § 817 S. 2 BGB darzulegen und ggf. zu beweisen, also auch, dass die Klägerin vorliegend die Illegalität der auf der Plattform der Beklagten angebotenen Online-Glücksspiele gekannt oder sich dieser Erkenntnis leichtfertig verschlossen habe (...).

Das erkennende Gericht kann insoweit nicht feststellen, dass die Klägerin während der Nutzung des Online-Glücksspielangebots der Beklagten positiv wusste, dass dieses in Deutschland verboten war. Die Klägerin hat bei ihrer persönlichen Anhörung angegeben, keine Kenntnis davon gehabt zu haben, dass die angebotenen Sportwetten verboten gewesen seien. Das Gericht vermag anhand ihrer Angaben auch nicht festzustellen, dass sich die Klägerin einer offenkundigen Erkenntnis in Bezug auf das gesetzliche Verbot leichtfertig verschlossen hätte. Vielmehr dürfte sie sich keine weitergehenden Gedanken hierzu gemacht haben. Gegenteiliges hat die Beklagte nicht bewiesen.

Im Übrigen käme die Anwendung des § 817 S. 2 BGB zwar insoweit in Betracht, als dass die Klägerin durch ihre Teilnahme an dem unerlaubten Online-Glücksspiel zumindest den objektiven Tatbestand des § 285 StGB verwirklicht haben dürfte (...).

Im vorliegenden Fall stehen jedoch Grund und Schutzzweck der Nichtigkeitssanktion (§ 134 BGB in Verbindung mit § 4 Abs 4 GlüStV 2012) einer Anwendung des § 817 S. 2 BGB entgegen. Die Regelung trägt dem Grundsatz Rechnung, dass derjenige, der sich selbst durch gesetz- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt, bei der Rückabwicklung Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen kann.

Bei der Anwendung des den Leistenden hart treffenden Rückforderungsverbotes des § 817 S. 2 BGB kann aber nicht außer Betracht bleiben, welchen Zweck das in Frage stehende Verbotsgesetz verfolgt. Dem Leistenden kann daher trotz § 817 S. 2 BGB ein Bereicherungsanspruch zustehen, wenn Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes die Gewährung eines solchen Anspruchs zwingend erfordern, etwa wenn das Verbotsgesetz vor allem zum Schutz des Leistenden erlassen worden ist. § 817 S. 2 BGB ist darüber hinaus auch dann einschränkend auszulegen, wenn die Aufrechterhaltung des verbotswidrig geschaffenen Zustandes mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar ist und deshalb von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann (...).

Das Glücksspielverbot und die Nichtigkeit des Spielvertrages schützen den Spieler und die Allgemeinheit, keinesfalls aber die Erwerbsinteressen von Anbietern illegalen Glücksspiels. Dies kann nur gelingen, wenn § 817 S. 2 BGB einschränkend ausgelegt wird (...)."

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